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Pastworld

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Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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Frau stand mit dem Rücken zu mir. Sie trug einen eleganten Mantel mit großem Pelzkragen. Überrascht merkte ich, dass sich der Kragen ganz von allein bewegte und mich ein Paar heller Augen ansah. Der Kragen war ein lebendiges Tier – eine vertraut aussehende, kleine gefleckte Katze. Das hier war die Katzendame. Genau die, der Jack und ich auf unseren abendlichen Spaziergängen immer begegneten. Ich wollte nicht, dass sie mich aus der Nähe sah. Bestimmt würde sie Jack verraten, wo ich war, und dann würde ich zurückgebracht werden und befände mich in derselben Gefahr wie früher. Sie unterhielt sich mit einer ganz normal aussehenden Frau, in jeder Hinsicht normal aussehend, außer dass sie einen langen schwarzen Bart hatte. Fast alle hier waren exotisch oder exzentrisch gekleidet.
    Jago gab mir einen Becher mit Tee und es fühlte sich gut an, die kalten Hände darumzulegen.
    »Das ist der gesamte Zirkus. Das hier ist unser Teil der Stadt und noch sind wir glücklicherweise weder von der Corporation noch von Überwachungskameras behelligt worden, bis jetzt jedenfalls nicht. Es ist eine Art willkommenes Niemandsland, so nennen wir es.«
    Nie-Manns-Land. Ich ließ mir das Wort im Kopf herumgehen, Nie-Manns-Land. Ich schaute mich um. Es gab Clowns und Harlekine, Pierrots und Jongleure, Akrobaten und alle möglichen Freaks, ganz anders als auf den Zirkus-Lithografien in den Büchern zu Hause, mit all den Löwen, Tigern und Bären.
    »Und Gaffer gibt es auch keine«, sagte Jago. »Ich hab jedenfalls noch nie welche hier gesehen. Nur unsere Leute, unsere Familie.«
    »Familie«, wiederholte ich und hielt den Becher mit dem heißen Tee an meine kalte Wange. »Familie.«
    »Wir alle«, sagte Jago, »die großen, die kleinen, die starken, die schwachen, sogar der kleine Malcy da drüben auf dem Fass, wir passen alle aufeinander auf, wie Brüder und Schwestern, genau wie dein Jack versucht hat, auf dich aufzupassen, Eve. Es ist furchtbar, hier allein zu sein – es ist ein altertümlicher Ort, wo ein Wolf den anderen auffrisst, aber wenigstens auf uns kannst du dich verlassen.«
    Ich schaute die freundlich aussehende Menge an und nickte und dann packte Jago mich an den Schultern und zog mich mitten in die Gruppe hinein. Da stand ich nun, in meine Decke eingehüllt und sehr nervös, weil alle um mich herumstanden.
    »Das ist Eve«, sagte Jago. »Ich habe sie auf der Straße vor einem zerlumpten Mann gerettet. Sie würde gern in die Geheimnisse unserer Kunst eingeweiht werden.«
    Alle lachten und eine fröhliche Stimme rief laut: »Viel Glück, Schätzchen.«
    Die Frau in Rot legte ihren riesigen Arm um mich.
    »Willkommen«, sagte sie und drückte mich. Instinktiv machte ich mich frei, die Decke rutschte herunter und ich fröstelte. Neben ihr stand die Katzenfrau. Sie legte den Kopf auf die Seite und sagte: »Ich habe dich schon mal gesehen, Schätzchen. Ein so hübsches Gesicht wie deins vergesse ich nicht.«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte ich.
    Der starke Mann unterbrach uns. »Sie hat die Figur dafür, Jago. Zierliche kleine Füße, stimmt’s?«
    Noch mehr gutmütiges Gelächter ertönte. Der starke Mann hockte sich in den Schnee zu meinen Füßen. »Entschuldigung, Miss«, sagte er. Er packte mich fest an den Armen und drückte meine Muskeln. Dann tastete er meinen Körper ab, meine Oberschenkel und Waden, er zeichnete mit Fingern und Daumen die Kontur meiner Knöchel nach, als wäre ich ein Pferd. So hatte mich noch nie jemand berührt. Ärger stieg in mir hoch und Scham und noch etwas, ein Funke, ein Nervenkitzel. Plötzlich hielt er inne und nahm seine Hände weg. Er zögerte und warf mir einen seltsamen Blick zu. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, würde ich schwören, dass ein Ausdruck des Zweifels, fast der Angst, über sein Gesicht huschte. Dann packte er mich um die Taille, stemmte mich hoch in die Luft, als wäre ich leicht wie eine Feder, und ließ mich in den sanft fallenden Schneeflocken über seinem Kopf schweben. Ich wedelte mit meinen Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Jago beobachtete mich mit ernstem Gesichtsausdruck, während die anderen um uns herum lächelten.
    Später baute Jago die Pfähle auf und schlang die Seile um sie herum. Der starke Mann half ihm, sie so zu sichern, dass die Pfähle einen festen Stand hatten. Ich sah ihm zu, wie er probeweise über das Hochseil lief, hin und zurück und wieder hin. Es sah immer noch so aus wie etwas, was ich gern tun würde.
    »Kann ich es

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