Pastworld
liebevoll mit mir um. Manchmal ist er wie ein mürrischer alter Teddybär, der brummt, wenn man ihn umdreht.
Er fürchtet sich vor der großen Stadt vor unseren Fenstern. Ich habe nur ganz vage Erinnerungen daran, jemals irgendwohin gegangen zu sein, allerdings habe ich kürzlich eine Erfahrung gemacht, die mir irgendwie bekannt vorkommt: Es war der Geruch eines ganz bestimmten Rauchs und wie ich über Funken und Flammen gesprungen bin, die mir sehr wirklich vorkamen. Seltsam, trotz allem, trotz der nicht existenten Erinnerung an meine Vergangenheit scheine ich fast die ganze Welt um mich herum verstehen zu können. Vielleicht liegt es daran, dass Jack mich so viel gelehrt, mir auf seine Art und Weise so viel beigebracht hat, denn ich habe das Gefühl, dass diese erzählten Erinnerungen, unsere gemeinsamen Gespräche, meine gesamte Kindheit ausmachen.
Es kommt mir vor, als wäre ich vor ein paar Jahren als ausgewachsene Fünfzehnjährige zum Leben erweckt worden. An einen speziellen Tag erinnere ich mich noch ganz genau. Ich stand an unserem Dachfenster und betrachtete alles um mich herum, als sähe ich alles zum allerersten Mal in meinem Leben. Ich weiß noch, wie ich ein großes Passagierluftschiff vorübergleiten sah und wie Jack zu mir sagte: »Da sind sie. Siehst du’s?« und wie er darauf zeigte, als es durch den grauen Himmel flog. Ich nickte und wiederholte: »Da sind sie.« Keine Ahnung, warum sich mir das so genau eingeprägt hat. Außer es hat etwas damit zu tun, dass an dem Tag noch jemand im Raum war, dabei haben wir sonst niemals Besuch.
Ich weiß noch, dass unser Besucher, ein gut angezogener Mann (ich habe ihn »unseren vornehmen Gast« genannt), mich an der Schulter packte, mich vom Fenster wegdrehte, mir ins Gesicht blickte und sagte: »Meine Güte, diese Augen, Jack. Damit wird sie Herzen brechen«, worauf Jack seufzte und ihm beipflichtete.
In unseren Dachzimmern verbringe ich meine Tage ruhig und gleichmäßig. Ich finde es merkwürdig, dass ich niemals die Erlaubnis bekomme, allein auszugehen. Ich darf immer nur mit dem armen furchtsamen Jack vor die Tür.
»Die Stadt ist groß und gefährlich«, sagt Jack.
»Auch für mich?«, habe ich einmal gefragt.
»Ja, für ein Mädchen wie dich sogar doppelt gefährlich«, hat er geantwortet, wobei sich sein Gesicht ängstlich verzog. »Du machst dir keine Vorstellung«, fügte er hinzu, »dass es da draußen Menschen gibt, die einem Mädchen wie dir nur Unheil zufügen würden.«
Ich akzeptierte seine Erklärung, aber innerlich verspürte ich eine seltsame Gewissheit, dass ich sicher und unangreifbar sein würde, sollte ich jemals allein ausgehen. Und das möchte ich wirklich schrecklich gern.
Jack behält mich immer in seiner Nähe. Im Laufe der Zeit, die vom Ticken der Uhr auf unserem Kaminsims bemessen wird, scheint er immer mehr Angst um mich zu bekommen. Wenn wir jetzt überhaupt noch ausgehen, dann immer abends.
Ich bin sicher, dass uns die Passanten auf den dunklen, belebten Straßen kaum wahrnehmen. Wir laufen durch den Nebel, der sich wie auf ein Stichwort erhebt. Jacks Augen sind so schlecht geworden, dass ich ihn ständig am Arm führen muss. Wer uns überhaupt zur Kenntnis nimmt, muss uns für ein seltsames Paar halten. Der zögerliche, rundliche Jack und ich, so groß und »gertenschlank«, wie Jack sagt.
Ich möchte immer alles genau erforschen. Eigentlich bin ich ein wildes Mädchen, bin rastlos und träume ständig davon wegzulaufen, meine Leine im Nebel abzustreifen und zu flüchten. Ich möchte einfach nur laufen, hüpfen und springen.
Auf unseren Spaziergängen sieht Jack sich ständig um. Späht so gut er kann in das kalte Dämmerlicht, immer ängstlich, immer besorgt und nie entspannt. Manchmal bleibt er stehen und spricht mit einem Bekannten; manchmal treffen wir eine Frau, die in einer der Straßen in unserer Nähe zu wohnen scheint. Ich nenne sie die Frau mit der Katze.
»Eisig heute Abend, Jack.«
»Ja, das ist wohl wahr, meine Liebe.«
»Mit dem Mädchen unterwegs?«
»Ja, sie begleitet mich sehr fürsorglich, armer alter Hund, der ich bin.«
»Du bist ein alter Hund, Jack, und ich führe eine Katze spazieren, wir sind nicht gerade ein Traumpaar, wir beide, oder?«
Bei solchen Sätzen muss Jack immer nervös kichern, aber ich sehe ihm an, dass er am liebsten seinen Kopf einziehen und weitergehen möchte.
Später.
Nichts ist mehr so, wie es war. Ich werde alles beschreiben, so gut ich kann.
Jack war schon
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