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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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ging sehr leise zur Tür hinaus und schloss sie mit einem ganz leichten Klick. Ich war sicher, dass niemand aus den Wohnungen unter uns oder aus dem Laden ganz unten mich sah, als ich …
    … auf die Straße hinausschlüpfte.
    Ich hatte beschlossen, zum Zirkus zu flüchten. Der einzige Plan, den ich hatte, war der, einen Zirkus zu finden. Ich würde irgendwo in dieser großen Stadt verschwinden. Ich würde arbeiten und von einem Ort zum anderen reisen.
    Es war ein ziemlicher Schock, als ich endlich im hellen Tageslicht auf die belebte Straße trat. Sie war voller hektischer Menschen. Zerlumpte Straßenjungen rannten lachend und rempelnd auf dem glatten schneebedeckten Gehsteig an mir vorbei. Hausierer verkauften ihre Ware: Sicherheitsstreichhölzer und Schnürsenkel und heiße Kastanien. Schneeflocken wirbelten in scharfen kleinen Kristallen umher. Mein Gesicht kribbelte und plötzlich stieg das überwältigende Gefühl in mir auf, zum ersten Mal richtig zu leben. Alle meine Sinne erwachten, die kalte Luft wirkte wie ein belebendes Tonikum. Ohne den langsamen Jack kam ich sehr schnell voran. Ich rannte, ich rutschte und hüpfte über den Schnee.
    Ein Straßenverkäufer bot Minzpasteten an, die ordentlich aufgereiht und warm und appetitlich auf dem Tablett lagen, das er um den Hals gehängt trug, und die einladend vor sich hin dampften.
    »Wie viel?«, fragte ich.
    »Einen Penny, Miss«, sagte er und lächelte mich an.
    Ich reichte ihm einen der glänzenden Pennys, die ich aus dem Spartopf geholt hatte, und spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen Jack gegenüber, der nichtsahnend im Wohnzimmer schlief. Während ich meine heiße Minzpastete verputzte, sah ich in alle Schaufenster. An einen roten Briefkasten gelehnt, saß ein zerlumpter Mann auf dem Gehsteig. Mit traurigem Gesichtsausdruck schaute er zu mir hoch, als ich an ihm vorbeiging. Ich blieb stehen und war mir nur allzu bewusst, wie warm meine eigene Hand von der kleinen Pastete war, verglichen mit seinen dünnen blauweißen Fingern, die wie erfroren aussahen. Ich ging einen Schritt zurück und reichte ihm eine Münze, dieses Mal ein ganzes silbernes Sixpence-Stück. Ich berührte seine Hand und spürte plötzlich die Kälte seiner Finger, die so frostig waren wie die Eiszapfen, die von unseren Regenrinnen herabhingen. Zuerst lächelte er und nickte dankbar, doch plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Es schien, als hätte er mich erkannt, obwohl wir uns meines Wissens noch nie im Leben begegnet waren.
    »Du bist es«, sagte er mit weit aufgerissenen Augen und nickte. »Du bist es wirklich.«
    »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen«, sagte ich lächelnd und eilte weiter.
    »Komm zurück«, rief er mir nach, aber ich ging weiter.
    Ein paar Minuten später merkte ich, dass der alte Bettler mir gefolgt war. Er sah in das Schaufenster einer Bäckerei. Mit meinen Sixpence konnte er mindestens einen halben Laib Brot und einen Speckkuchen kaufen und dazu noch eine Tüte mit Keksresten. Er drehte sich um und unsere Blicke trafen sich. Er starrte mich an wie ein hungriger Wolf im Märchen, was mich so beunruhigte, dass ich wegsah. Um ihm zu entkommen, mischte ich mich unter die geschäftigen Einkäufer und eilte weiter die Straße hinunter.
    Dann kam ich zum Marktplatz, wo, wie ich wusste, der Zirkus sein würde. Vor den Reihen der großen Geschäfte herrschte reges Treiben. Ein Muffinverkäufer, der sein Tablett auf dem Kopf balancierte, schob und drängte sich durch die Menge. Ein Mann in einem langen Mantel hielt einen Moment lang mit mir Schritt. Er hatte ein Stück Sackleinen um die Taille gebunden und über der Schulter trug er eine Stange mit lauter toten Kaninchen, die an ihren kleinen zusammengebundenen Pfoten aufgehängt waren. Als ich den Blick von diesen traurigen toten Kreaturen abwandte, sah ich mich Auge in Auge mit einem rosa Schweinskopf, der zusammen mit anderen an einem Haken im Schaufenster eines Schweinemetzgers hing. Die blassen Wimpern waren deutlich zu erkennen. Unter den Schweinsköpfen hingen in einer langen Reihe lauter Schweinekadaver über einer Stange. Noch weiter darunter lag ein großer Schweinebraten im knusprigen Teigmantel auf einer Servierplatte. Ich mischte mich schnell wieder unter die Menge, um dem Geruch nach Blut und Sägespänen zu entgehen. Mitten zwischen den Marktständen befand sich der Winterjahrmarkt mit seinen Gauklern und einem kleinen Zirkus.
    Ganz in meiner Nähe stand der erste einer Gruppe von bunt

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