Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
hätte deswegen draußen nachgesehen, aber sie hätte nichts entdeckt.«
»Sie hat einen Schrei gehört?«
»Das hat sie jedenfalls behauptet.«
»Wessen Schrei?«, fragte Paco, der das nicht glauben konnte, weil Joana ihm das sicher schon längst erzählt hätte.
»Sie sagte, sie sei sich nicht sicher, ob es überhaupt ein Schrei gewesen war. Vielleicht auch das Geräusch von einem Tier. Ich jedenfalls habe nichts gehört.«
»Von wo kam dieser Schrei? Könnte er von Elena stammen?«
»Mehr weiß ich nicht, Sargento. Fragen Sie sie doch selber!«
Das werde ich, dachte Paco, und machte sich eine Notiz. Aber erst musste er das hier zu Ende bringen. »Was hast du gemacht, nachdem du dich mit Joana um halb eins vor dem Hotel getroffen hast?«
»Dann bin ich zu den Bajos runter. Also in die Strandkneipen, wo ich bis fünf Uhr morgens blieb.«
»Alleine?«
»Ich habe dort ein paar Freunde getroffen.«
Paco dachte über das Gespräch nach. Dieser Typ war sichtlich nervös und er hatte ein Verhältnis mit Elena gehabt. Aber reichte das für einen konkreten Verdacht? Die Spurensicherung war immer noch dabei, den vermeintlichen Tatort zu untersuchen, und an Elenas Leichnam wurde in Granada gerade die Obduktion vorgenommen. Sollten die Mediziner dabei keine Spuren finden, die den Jungen belasteten, wäre es kaum möglich, ihm etwas anzuhängen. Man würde natürlich noch überprüfen müssen, ob er ein Motiv hatte. Vielleicht war Elena ja schwanger von ihm? Sicher würden sie bald mehr wissen, zwischenzeitlich konnte er jedenfalls nicht viel mehr unternehmen, als diesen jungen Mann im Auge zu behalten und seine Angaben zu überprüfen. Sie hatten jetzt drei Tote innerhalb kürzester Zeit. Und alle Todesfälle hatten eines gemeinsam: Bei keinem wurde eine eindeutige Aggression beziehungsweise ein Gewaltakt festgestellt. Die ersten beiden Toten lagen friedlich in ihren Betten und die Dritte stürzte einen Abhang hinunter, was tatsächlich nur ein Unfall oder ein Selbstmord gewesen sein könnte. Als Ermittler standen sie vor einem Dilemma: Innerhalb weniger Tage starben nicht einfach zufällig drei Menschen im selben Hotel an Suizid. Aber konnte man deswegen gleich von einem Serienmörder ausgehen, der allen Dreien die Lebenslichter ausgeblasen hatte? Einige von seinen Kollegen dachten das und ab sofort wurde auch in diese Richtung ermittelt. Es war frustrierend. Und vor lauter Frust entschloss sich Paco, den Burschen mit einer Schlussoffensive zu überraschen, bei der er allerdings ein wenig von den Fakten abweichen musste. So weit waren sie nämlich noch nicht in ihren Ermittlungen.
Paco wies mit seinem Stift auf die Dame hinter sich in der Krankenschwesteruniform und sein nun etwas gelassenerer Gesprächspartner folgte dem Wink.
»Sag mal …«, begann Paco und wandte sich von der Schwester ab, um erneut wie desinteressiert aus dem Fenster zu starren, »warst du eigentlich schon bei dieser netten Dame wegen einer DNA-Probe?« Die zwischenzeitliche Selbstsicherheit im Gesicht seines Gegenübers zerbröckelte wie Sandstein.
»Ja … wieso?«
Paco winkte ab, als ob dieses Detail nicht weiter erwähnenswert sei. Dann wandte er sich ihm wieder zu und starrte in die mahagonibraunen Augen des Jungen, welche, wie er vermutete, die Herzfrequenz einiger Damen durchaus um ein paar Schläge erhöhen mochten, ehe er seinen Blick auf einen Kratzer am Unterarm des jungen Mannes senkte. »Nun, wir haben Hautpartikel unter den Fingernägeln des Opfers gefunden.« Er log, ohne mit der Wimper zu zucken, hob seinen Blick und grinste den Jungen an. »Aber das wär’s fürs Erste. Wir melden uns wieder, sobald sich bei dir eine Übereinstimmung ergibt!«
Mit diesen Worten entließ er den Burschen und sah ihm nach, als er sich aus dem Konferenzsaal schleppte wie ein verwundeter Stierkämpfer beim Verlassen der Arena. Paco nahm seinen Stift zur Hand und schrieb den Namen des Befragten auf. Daneben notierte er den Namen des Opfers. Dann ringelte er beide Namen mit einem Herzen ein. Am Ende strich er das Bild durch und zerknüllte das Papier. Sie hatten drei Tote und immer noch keine entscheidende Spur! Er brauchte dringend frische Luft. Außerdem musste er mit Joana sprechen.
Paco klemmte sich die Liste mit den Hotelangestellten und den Gästen unter den Arm und verließ den Konferenzsaal. Als er um die Ecke bog, sah er, dass der Deutsche an der Rezeption stand. Dieser hatte ihn offenbar ebenfalls gesehen, verließ jetzt den Empfang
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