Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
und schlenderte in die Cafeteria. Wahrscheinlich wollte er ihm nach der Verhöraktion vor ein paar Tagen aus dem Weg gehen. Paco wandte sich an Joana. »Ich muss dringend mit dir reden.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf eine der freien Sitzgruppen in der Lobby. Joana verließ den Empfang und folgte Paco durch die Hotelhalle. Sobald sie sich niedergelassen hatten, kam Paco direkt zur Sache: »Ich habe gerade einen deiner Kollegen befragt, Joana, du kannst dir vielleicht vorstellen, wen ich meine?«
Joana nickte zögerlich.
»Nun, er hat mir erzählt, dass er dich gestern um etwa halb ein Uhr nachts traf, als er durch den Seitenausgang das Hotel verließ. Er meinte, ihr hättet euch kurz unterhalten und du hättest behauptet, einen Schrei gehört zu haben, und wärst draußen gewesen, um nachzusehen – stimmt das?«
Joana seufzte und schüttelte den Kopf.
»Heißt das etwa, er hat mich angelogen?«
»Nein, Paco, ich habe ihn angeschwindelt …«
Paco hob eine Augenbraue und wartete auf weitere Erklärungen.
Joana seufzte und berichtete von der vergangenen Nacht. Paco erfuhr, dass Joana zum fraglichen Zeitpunkt bei dem Deutschen auf der Terrasse gewesen war: Es ging wohl um die Ohrfeige, die Joana ihm auf der Station verpasst hatte. Nun, was die beiden privat miteinander zu besprechen hatten, interessierte ihn herzlich wenig, aber interessant war immerhin, dass der Deutsche seine Mutter nicht einfach umgebracht, sondern angeblich Sterbehilfe geleistet hatte. So war das also gewesen. Dann erzählte Joana von dem Schrei. Den Notausgang hatte sie anschließend nur benutzt, um nicht vom restlichen Hotelpersonal gesehen zu werden. Gut, er verstand. Sie wollte kein dummes Gerede wegen ihres Besuchs bei dem Deutschen, aber trotzdem …
Paco schüttelte den Kopf. »Der Schrei, um genau zwanzig nach zwölf war das, sagst du?«
»Ja. Ich weiß es so genau, weil ich in dem Moment auf die Uhr gesehen habe. Aber wie gesagt: Es könnte auch etwas anderes gewesen sein.«
Paco machte sich eine Notiz. »Und zehn Minuten später läufst du deinem Kollegen über den Weg. Bist du sicher, dass er da gerade von der Arbeit kam und nicht von woanders her?«
»Er kam zumindest aus dem Seitenausgang, gerade als ich in Richtung Parkplatz ging.«
Paco nickte und erhob sich. »Es ist durchaus möglich, dass zwanzig nach zwölf tatsächlich der Zeitpunkt ist, an dem Elena zu Tode stürzte. Nach einer ersten Temperaturmessung der Leiche am Fundort geht der Gerichtsmediziner von einem Zeitfenster ab Mitternacht bis zwei Uhr morgens aus. Sollte sich das durch die Obduktion bestätigen, werden wir uns nochmals unterhalten müssen – und Joana? Bitte ab sofort keine Geheimnisse mehr! Wäre ich ein anderer, müsste ich dich nun glatt verdächtigen«, sagte er augenzwinkernd und händigte ihr die Papiere aus. »Das ist eine Liste von den Hotelgästen und eine von den Angestellten. Könntest du mir davon für die Kollegen noch jeweils zwei Kopien machen?«
Joana nickte und verschwand zum Kopieren ins Büro. Paco wartete vor dem Hoteleingang und steckte sich eine Zigarette an. Sollte sich der von Joana angegebene Zeitpunkt tatsächlich als Tatzeitpunkt herausstellen – immer vorausgesetzt, es handelte sich überhaupt um ein Tötungsdelikt –, dann kam Elenas Lover für den Mord wohl kaum infrage. Joana konnte ja bestätigen, dass der Bursche seinen Arbeitsplatz verlassen hatte, es sei denn, der Junge hätte Elena zuerst dort hinabgestoßen, war dann zurück an seinen Arbeitsplatz geschlichen, nur um diesen sofort wieder zu verlassen und dabei auf Joana zu stoßen. Aber diese Überlegung war schon ziemlich weit hergeholt.
Wie auch immer, zu diesem Zeitpunkt war vieles noch reine Spekulation und Paco hoffte auf die Spurenauswertungen. Im Hotel gab es zwar keine Überwachungskameras, aber vielleicht würde sich auch so bald ein Hinweis finden, an dem sie sich orientieren konnten. Paco schnippte seine Kippe weg und betrat das »Hotel de la Muerte«, wie es seine Kollegen bereits nannten.
30
N ach dem ersten Blatt war das Papier aus. Joana füllte nach und fuhr mit dem Kopieren der Gästeliste fort. Sie überflog die Seiten, während sie neben dem Kopierer wartete. Es waren 312 Namen aufgelistet, wovon allerdings nur wenige Dutzend bereits abgehakt waren. Als sie fertig war, klammerte sie die Listen zusammen und brachte sie Paco, der am Empfang wartete. Sie zögerte, ehe sie ihm die Papiere übergab.
»Hast du den Ausdruck von
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