Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Ávila stieß seinen redegewandteren Kollegen mit dem Ellbogen an. Cabo Guerrero, dessen Großvater und Vater schon der Guardia Civil dienten und dessen behördlichem Stammbaum es wohl zu verdanken war, dass er trotz eines Buckels ebenfalls dort unterkommen konnte, fuhr fort: »Die ist dort wirklich nirgends, Sargento … ich meine, wir haben alles abgesucht: den Keller, die Abstellräume, die Wäscherei, jeden Raum, zu dem sie Zutritt hatte. Wir haben auch alle Zimmer im ersten und zweiten Geschoss durchgekämmt, aber absolut keine Spur von ihr. Sie ist wie vom Erd… «
»Was ist mit den anderen Etagen?«, unterbrach ihn Paco. »Soweit ich mich erinnern kann, hat dieses Hotel fünf Geschosse, oder etwa nicht?«
Die beiden Cabos sahen sich stirnrunzelnd an. Nun nahm auch Cabo Guerrero seine Polizeikappe ab und knetete sie mit den Händen.
»Ja schon, aber da konnte sie ja nicht sein.«
»Wer behauptet das?«, wollte Paco wissen, den es einige Überwindung kostete, nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Der Hoteldirektor. Er meint, Inmaculada putze ja nur im ersten und im zweiten Stock und gelegentlich auch in der Lobby. In den darüber liegenden Stockwerken habe sie nichts verloren. Ich denke, der Direktor wollte nicht, dass wir noch mehr Gäste belästigen«, sagte er mit gesenktem Blick mehr zu seiner Kappe als zu seinem Vorgesetzten.
Paco hieb mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass die Cabos erschrocken in ihren Stühlen hochfuhren. Dann beugte er sich über den Tisch und hielt seinen Kugelschreiber wie einen Dartpfeil, den er den beiden Cabos gleich zwischen die Augen werfen wollte.
»Ihr hattet von mir den einfachen Auftrag bekommen, das gesamte Hotel zu durchsuchen und nicht nur das halbe , und was dieser verdammte Direktor sagt, ist mir so was von …« Paco musste tief Luft holen. Seine Beschimpfungen würden ihnen auch nicht weiterhelfen, also fuhr er etwas gemäßigter fort: »Ihr fahrt da jetzt auf der Stelle wieder hin und kommt mir nicht eher wieder, bis ihr nicht auch noch den kleinsten Winkel dieser Bude umgedreht habt. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Die Cabos nickten und erhoben sich salutierend.
Teniente Lozano verließ ebenfalls den Besprechungsraum, um ein Telefonat zu führen. Paco sah seinem Vorgesetzten nach, der erst vor ein paar Monaten von Córdoba nach Almuñécar versetzt worden war. Viele, vor allem die älteren Beamten, hofften, dass der ehrgeizige Teniente nur kurz in Almuñécar blieb, um danach in einem anderen Winkel des Landes seine rasante Karriere fortzusetzen. Unter seinem Vorgänger, dem gemütlichen Teniente Campos, war der Dienst lockerer gewesen. Tatsächlich war Teniente Lozano mit seinen neununddreißig Jahren für den Leiter einer Guardia-Civil-Station ungewöhnlich jung, aber an Kompetenz mangelte es ihm nicht, wie Paco wusste. Die Verkehrsdelikte waren in der letzten Zeit um achtzig Prozent angestiegen, aber nicht, weil mehr Vergehen verübt wurden, sondern weil die Beamten angewiesen waren, gewissenhafter zu kontrollieren, anstatt wie früher in den klimatisierten Fahrzeugen zu hocken und sich über Fußball zu unterhalten. Und Teniente Lozano kontrollierte außerdem die Arbeit der Verkehrsstreife, was einigen gar nicht gefiel. Aber sie nahmen ihren Job jetzt wenigstens ernster und allein das war schon ein Erfolg, den man dem jungen Teniente zuschreiben musste.
Paco nahm sein Funkgerät zur Hand, verließ den Besprechungsraum und ging in sein Büro. Dort öffnete er das Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Seit Teniente Lozano in Almuñécar seinen Dienst versah, war auch eine Anzahl schwerwiegender Delikte aufgeklärt worden. Klar benötigte man immer mehrere Beamte für die Aufklärung der Fälle, so wie es auch die gute Teamleistung einer Fußballmannschaft brauchte, um zu gewinnen. Es kam Paco allerdings so vor, als ob unter ihrem neuen Trainer die Siege gegen das Verbrechen deutlich anstiegen.
Paco hustete und starrte auf seine Zigarette. Wann würde er es endlich schaffen, damit aufzuhören? Nun, zu Silvester vielleicht. Momentan hatte er ganz andere Sorgen. Er dachte an das Gespräch mit dem Teniente am Morgen zurück.
Der Teniente war kurzangebunden gewesen, da er nach Motril zu einer Besprechung musste, und hatte ihm nicht mal einen Stuhl angeboten. Aber Paco wusste, wie man Geschichten erzählte, schließlich hatte er drei Kinder großgezogen: Man musste die Spannung langsam steigern und am Schluss die Bombe platzen lassen,
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