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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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Danach darfst du dann deine eigenen Schlüsse ziehen.« Paco hörte am anderen Ende der Leitung Papier rascheln, als ob der Forensiker seinen Bericht zur Hand nahm und sich Luft zufächelte.
    »Also, die erwähnten Substanzen hätte ein starker Organismus selbst in dieser Konzentration wohl noch überlebt, aber bei der Menge an Morphium: niemals!«
    » Morphium? «
    »Ganz genau, Paco. Morphium. Und ich würde mich an deiner Stelle mal fragen, wie er da rangelangt ist.«
    Paco legte auf und trat ans Fenster. Er widerstand dem Drang, es zu öffnen und sich eine weitere Zigarette anzuzünden.
    Der junge Münchner hatte also alle möglichen Medikamente zu sich genommen, inklusive einer tödlichen Menge an Morphium. Wäre es bei dem Mix aus Schmerztabletten, Antidepressiva und Schlaftabletten geblieben, hätte er, Paco, weiterhin bequem mit der These vom Suizid oder vom Unfall durch achtlose Medikamenteneinnahme leben können. Aber mit Morphium? Woher zum Teufel hätte der Deutsche das Zeug bekommen sollen? So etwas konnte man doch nicht einfach in der Apotheke kaufen wie eine Schachtel Aspirin. Lag sein angereister Bruder mit seiner Theorie etwa doch nicht so falsch? Wurde Xaver Huber ermordet? Paco schüttelte den Kopf. Er selbst hatte den Tatort untersucht und keinerlei verdächtige Spuren gefunden. Eine Möglichkeit war allerdings, dass der junge Mann jemanden in sein Zimmer ließ, der – oder die – ihm den Cocktail verabreichte, um später unbemerkt den Raum zu verlassen. Aber nach Aussage aller war Huber doch allein gereist! Womöglich hatte jemand dennoch ein Motiv für diese Tat: ein Freund oder Bekannter oder gar – ein Angehöriger? Kilian Huber war angeblich unverzüglich aus Deutschland angereist. Aber vielleicht entsprach das ja gar nicht der Wahrheit. Vielleicht hielt er sich bereits länger in Spanien auf. War seine Trauer etwa nur vorgespielt, hatte er vielleicht sogar ein Motiv?
    Paco fasste einen Entschluss. Seine dringendste Aufgabe bestand zwar darin, die verschwundene Inmaculada wiederzufinden, aber nach der Enthüllung des Forensikers konnte es nicht schaden, eine internationale Anfrage zu stellen. Ein kurzes Telefonat mit dem Teniente würde genügen, um seinen Chef zu überzeugen. Er könnte über das Departamento Internacional Auskunft aus München einholen. Vielleicht wusste die deutsche Kriminalpolizei ja etwas Interessantes über Xaver Huber zu berichten – oder über seinen Bruder Kilian.

 20 
    K ilian lag mit einem Bier in der Hand auf der pitschnassen Terrassenliege und verschloss die Augen vor dem Regen. Er dachte an ihre gemeinsame Kindheit und Jugend in Riedhofen, dem sechshundert Einwohner zählenden Bauernkaff, von dem aus man eine ganze Stunde benötigte, um mit dem Auto über kuhfladige Landstraßen nach München zu gelangen. Er durchforstete seine Erinnerungen auf Anzeichen zu Xavers überraschenden … Neigungen . War sein Bruder tatsächlich schwul und hatte er ihm dies all die Jahre über verheimlicht? Längst versunkene Erinnerungen an seinen Geburtsort und den Bauernhof trieben an die Oberfläche: der von einer flackernden Lampe beleuchtete Kuhstall um fünf Uhr morgens, der Geruch des getrockneten Heus im Sommer, das er mit einer Heugabel wenden musste, während andere Kinder seines Alters lachend im Baggersee planschten, seine Jahre als Ministrant in der Dorfkirche, die wenigen Ausflüge der katholischen Jugend, an denen sein Vater ihn teilhaben ließ und die den einzigen Lichtpunkt in diesen Jahren darstellten, und seine ersten richtigen Gespräche, die er mit dem Pfarrer führte. Danach war er stolz gewesen und hatte sich wie ein Erwachsener gefühlt. Schon als Kind hatte er sich bisweilen gewünscht, der Geistliche und nicht der kaltherzige Mann auf dem Bauerhof wäre sein Vater gewesen.
    Sein »richtiger« Vater sprach nur mit ihm, wenn er ihm Arbeit auftrug oder um ihn zu beschimpfen. Ihm fiel ein, wie er Jahre später dem Vater von seiner Entscheidung berichtete: der Berufung, die unter dem Einfluss des Dorfpfarrers zustande kam. Der Vater hatte nichts dagegen und ließ ihn ziehen; er wollte ohnehin, dass Xaver den Erbhof übernahm. Aber auch dazu sollte es nicht kommen, denn Xaver beabsichtigte, in München eine Lehre als Bankkaufmann anzutreten. Der Vater tobte so laut, dass der Zwischenfall am Sonntag Hauptthema auf dem Kirchplatz war. Aber Xaver blieb hartnäckig und wurde schließlich mit dem Hinweis, sich nie wieder blicken zu lassen, mit einer Mistgabel

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