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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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cleaning. Gracias!«
    Das Mädchen schien darüber nicht gerade empört; sie machte einen Haken auf ihrer Liste und schob den Putzwagen pfeifend den Flur hinunter. Kilian ging zurück in sein Zimmer. Keine weiteren Ausflüchte mehr! Er musste sich seiner Aufgabe stellen und sich darauf konzentrieren, die Reise seines Bruders zu Ende zu recherchieren. Selbst wenn es unerträglich schmerzte und es nichts einbrachte – niemand außer ihm würde versuchen, Licht in das Dunkel von Xavers Tod zu bringen.
    Er drückte auf den Forward-Pfeil an der Rückseite der Kamera und sah sich das nächste Foto an. Wieder war Xaver darauf zu sehen. Diesmal stand er vor einem Brunnen und vollführte eine Armbewegung, als hätte er gerade rücklings eine Münze ins Wasser geworfen und sich dabei etwas gewünscht. Was hast du dir gewünscht?, fragte er seinen Bruder stumm. Doch bestimmt nicht den Tod, oder? Eine Familie? Karriere? Eine Harley?
    Kilian legte die Kamera zur Seite und verschränkte seine Arme vor der Brust. Was mochte sein Bruder tatsächlich für Wünsche und Träume gehabt haben? Es konnte doch nicht angehen, dass er auf eine simple Frage wie diese keine Antwort fand. Joana hatte recht! Er musste sich eingestehen, dass er das Wesen seines Bruders weitaus weniger gut kannte, als er gedacht hatte. Niemand weiß genau, was in einem anderen Menschen vorgeht . Kilian spann diese Betrachtung weiter und dachte darüber nach, ob er selbst – instinktiv, und ohne lange darüber nachzudenken – wusste, was er sich wünschen sollte, während sein 10-Cent-Stück auf den Brunnenboden sank? Das Übliche? Glück und Gesundheit und dazu ein paar Dinge aus der Werbung? Aber was war sein primärer Anspruch an diese Welt? Was wollte er wirklich?
    Freude kam ihm in den Sinn. Freude in all ihren Facetten. Wie schön wäre es, wieder einmal Begeisterung statt Trägheit, und Vorfreude statt Beunruhigung zu spüren. Heiterkeit statt Traurigkeit. Sicher, jetzt trauerte er um seinen Bruder, aber lange schon, bevor Xaver starb, war in ihm selbst die Fröhlichkeit gestorben. Nicht unvermittelt, sondern schleichend, so wie sich der Mond alle paar Jahre langsam vor die Sonne schiebt, um die Erde zu verdüstern. Die Trauer um Xaver würde irgendwann verblassen, aber würde seine persönliche Sonnenfinsternis jemals enden? Das war es, was er sich am nächsten Brunnen wünschen sollte, dachte er, und drückte auf die Forward-Taste: ein Foto in einer Kneipe. Brusthohe Weinfässer dienten als Stehtische. Von der Decke hingen Schinkenkeulen und über die gesamte Länge der Bar erstreckte sich eine Glasvitrine. Darin lagen wohl Tapas, diese kleinen Essensbeilagen, die man in Spanien stets unaufgefordert erhielt, sobald man ein Bier oder ein Glas Wein bestellte. Bei dem Anblick musste Kilian daran denken, wie er damals in München mit Cornelia und ihren Arbeitskollegen ein hippes spanisches Lokal besucht hatte, weil einer dieser Yuppies behauptete, das wäre im Moment eine angesagte »Location«. Er war der Einzige in dieser Runde gewesen, der glaubte, eine Tapa sei eine konkrete Speise, so wie eine Paella. Zu Cornelias Missfallen gab er sein wenig weltmännisches Wissen auch noch vor versammelter Runde kund. Einerseits, weil er nicht wusste, über was er mit diesen Bussi-Bussi-Typen sonst hätte sprechen sollen, andererseits, weil ihm die Bemerkung nicht wie ein besonders schwerer Fauxpas vorkam. Aber nicht die anderen, sondern Cornelia selbst machte daraufhin eine dämliche Bemerkung. Sie schämte sich für ihn, er, der vom Land in die Stadt gezogen war und aus der Wirtshausidylle seines niederbayerischen Heimatorts nicht einmal ein Mindestmaß an internationalen kulinarischen Grundkenntnissen mitgebracht hatte. Gerade Cornelia, die von Fast Food lebte, bevor sie in diesem Immobilienbüro Karriere machte und ihren Chef nach Sylt begleitete, um dort mit ihm Austern zu schlürfen …
    Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das Foto, das seinen Bruder zeigte, wie er mit einem Glas Rotwein der Kamera zuprostete. Wieder zoomte Kilian, bis Xavers Kopf das Display zur Gänze ausfüllte. Sein Bruder hielt die Augen geschlossen, wahrscheinlich ein Reflex auf das Blitzlicht. Es war eines dieser Fotos, die man nach der Reise als misslungen einstufte und in den Pixelpapierkorb verschob, ohne weiter darüber nachzudenken. Kilian aber rieb sich sein rechtes Ohrläppchen. Etwas war anders. Nicht nur bei diesem Foto, auch schon bei den zwei

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