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Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
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Kraushaar, der das Buch »Verena Becker und der Verfassungsschutz« veröffentlicht hat, wies kürzlich auch auf neu aufgefundene Dokumente hin, wonach die Stasi RAF – Terroristen für Tötungen und Anschläge in der Bundesrepublik benutzt habe.
    Regine Igel hat auf der Website Telepolis eine Reihe von aufschlussreichen Artikeln publiziert. Sie stützt sich auf die Akten der italienischen Untersuchungskommissionen zur Aufklärung der Hintergründe des Terrorismus der Brigate Rosse. Nicht nur, dass daraus eine enge Zusammenarbeit der »Roten Brigaden« und der RAF hervorgeht – deutlich wird auch, dass militante Linksradikale jahrzehntelang von Geheimdiensten vor allem in Ost-, aber auch in Westeuropa ausgebildet, ausgerüstet, unterstützt und »kontrolliert« wurden. Es erscheint sogar denkbar, dass die Dienste beider Seiten dabei mitunter gemeinsame Sache gemacht haben.
    Eine neue Forschergeneration wird die Rolle der Geheimdienste hoffentlich weiter aufklären.
    In einem Bericht des Spiegel über den Welt-Blockbuster Der Baader Meinhof Komplex von Stefan Aust und Bernd Eichinger hieß es: »Die Opfer sind nicht so interessant, weil sie aus normalem Leben herausgerissen wurden.« Genau das Gegenteil ist der Fall: Die Opfer sind sehr interessant, denn nur sie führen auf die richtige Spur. Sie sind damalsnicht per Zufallsgenerator ausgewählt worden, dahinter stand vielmehr ein gut informiertes, koordiniertes System. Man wusste genau, was man tat.
    »Die Opfer sind willkürlich«, hat kürzlich ganz ähnlich der Regisseur Christian Petzold (»Die innere Sicherheit«) gesagt. »Die Täter haben eine Erzählung. Und das Kino kann sich nicht um Willkür kümmern, sondern nur um die Erzählung.« Würde man dies auch über die Opfer des Dritten Reichs, die Flüchtlinge des Zweiten Weltkriegs oder die Opfer der Anschläge vom 11. September sagen?
    Gerade die Opfer der RAF sind aber nicht willkürlich »ausgesucht« worden. Es gab verschiedene »Anforderungsprofile« für die Opfer. Eines davon: Sie waren liberale, aufgeschlossene, der westlichen Freiheitsordnung und den westlichen Verbündeten zugetane Persönlichkeiten, sie hatten viele Arbeitskontakte in den Osten und bemühten sich um eine Verbesserung der Beziehungen zu den Ländern des Warschauer Pakts – was für diese aber auch die Gefahr der »Aufweichung« mit sich brachte. Inzwischen weiß man, dass gerade die Stasi diese »Aufweichspezialisten« sehr misstrauisch beäugte und, auch Moskau gegenüber, vor ihnen warnte.
    Mein Vater war seit 1970 Mitglied der Atlantik-Brücke, einem Verein zur Förderung der deutsch-amerikanischen Freundschaft. Diesem Verein gehörten neben Helmut Schmidt und vielen anderen Politikern auch Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Medien an. Unter ihnen findet sich der 1986 von der RAF ermordete Atomphysiker und Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts. Alfred Herrhausen wiederum, der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, hätte ein paar Tage nach seiner Ermordung eine Rede vor dem Forum der Atlantik-Brücke halten sollen.
    Schon 1977 hatte meine Mutter das Gefühl, dass die ermittelnden Behörden möglicherweise unterwandert seien. Ein ungeheuerlicher Verdacht – aber sie spürte intuitiv, dass die»Pannen«, die es in den Tagen nach dem 30. Juli gab, vielleicht nicht nur Pannen waren.
    Ich wünschte mir eine Dokumentation, in der sämtliche RAF – Aufklärungspannen aufgelistet wären – das wäre ein aufschlussreicher Bericht. Jeder RAF – Fall hat seine eigene Pannengeschichte. Wenn meine Mutter nicht überlebt hätte, wäre wahrscheinlich kein einziger Tathergang komplett aufgeklärt. Doch auch die Aufklärung der Tat vom 30. Juli begann schon mit der Panne, von der auch der Sprecher der Bundesregierung einräumte, dass sie »niemand bestreitet«, dass nämlich das BKA von dem Mord an meinem Vater erst durch die Heute-Nachrichten des ZDF um 19 Uhr erfuhr. Die allererste Panne war dabei, dass es, obgleich der Name von S. nach einer Minute feststand, über zwei Stunden lang keine Kooperation zwischen Landeskriminalamt und BKA gegeben hatte. Deshalb dauerte es auch Stunden, bis die Tat als terroristischer Akt eingestuft wurde. Bundeskanzler Helmut Schmidt wollte zu den Abendnachrichten sprechen, unterließ es aber dann, weil der Hintergrund den Ermittlern zu offen schien – sie hatten die Informationen, die es seit 1973 über S. im BKA – Computer gab und die die Ermittler gleich auf die richtige Spur hätten führen können,

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