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Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
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anderen. Es war nicht meine Idee, Ponto zu entführen oder gar zu ermorden.
    Mir schien es merkwürdig, dass sie einerseits die Verantwortung dafür übernahm, dass Jürgen Ponto überhaupt ins Visier der RAF kam. Das tat sie, indem sie sagte, dass man nur wegen des Speitel-Gesprächs auf Ponto gekommen sei. Sich aber gleichzeitig der Verantwortung entledigte, indem sie sagte, sie hätte nicht gewusst, dass Speitel diese Information gleich weiterverwerten würde. Ich hatte den Eindruck, als versuche sie, die Brücke zu schlagen zwischen ursächlicher Verantwortung (denn ohne das Speitel-Gespräch wäre man nicht auf Ponto gekommen) und strafrechtlicher Irrelevanz (nichts davon gewusst haben zu wollen, dass Speitel als Kurier zwischen Illegalen und Legalen arbeitete).
    Am dritten Prozesstag, dem 27. April 1991, ging es weiter, und es ging wieder um die Tat:
    Ponto sah man als geeignetes Entführungsopfer. Nachdem man mich damit konfrontiert hatte, wusste ich, dass ich mittendrin stecke. Ich habe dagegen gesprochen. Man sagte mir, dass man entschlossen sei, diese Aktion zu machen, man sagte mir auch, dass, wenn ich nicht dazu bereit wäre, Zugang zu verschaffen, dass es dann auf der Straße passiert, es zu einer Schießerei käme, es auch zu Toten käme, dass, wenn ich Einlass verschaffe, die Sache unblutig verlaufen würde und das die einzige Möglichkeit sei, dass die Entführung gelinge.

    Immer wieder drehte es sich um die Spannung zwischen einem faktischen Mit-Drinstecken und einem gefühlten Nichts-damit-zu-tun-haben-Wollen. Wenn ich die Aufzeichnungen heute wieder lese, verstehe ich noch weniger als vor 20 Jahren, weshalb sie es sich und weshalb das Gericht es ihr so leicht gemacht hat. Wieso übernahm sie Verantwortung immer für das Falsche? Nicht für ihr Verwickeltsein in den Mord oder dafür, dass sie ihn nicht verhindert hat. Nicht für ihre aktive Beteiligung an dem Komplott gegen ihren »Onkel Jürgen«, wie er peinlicherweise noch im Prozess zum Teil tituliert wurde, sondern dafür, dass sie quasi zufällig mittendrin steckte. Wieso griff niemand ein, als sie schließlich den Spieß umdrehte und ihre Teilnahme an der Tat zu einer Schutztat für Jürgen Ponto umdeutete?
    Für mich spitzte sich die Situation derart zu, meine Gesprächspartner waren für mich absolut glaubwürdig, und das Problem war, dass ich mich schuldig machte, dass ich mich verantwortlich machte, dass das Speitel-Gespräch Ausgangspunkt war. Das Problem war, wie ich das Schlimmste verhindern könnte, weswegen ich mich an der weiteren Vorbereitung beteiligt habe.
    Sie schilderte, wie sie moralisch unter Druck gesetzt worden sei, weil es um die Befreiung der Gefangenen gegangen sei, und erklärte:
    Die Gespräche trafen den wunden Punkt bei mir von Verantwortlichkeit und Schuld nun allerdings derart, dass ich mich selbst schuldig machen musste, um dem inneren Anspruch gerecht zu werden. 
    Was ich verstand: Sie hatte völlig ausgeblendet, dass es um Menschenleben ging. Was ich nicht verstand: Wie kann manausblenden, dass es um Menschenleben geht? Moralisch war für mich hiermit bereits am dritten Verhandlungstag der Tiefpunkt erreicht. Aus der Mitverantwortung für einen gemeinen Mord an einem Familienfreund wurde ein Mitmachen, um »das Schlimmste zu verhindern« – sogar ein Einstehen für den eigenen moralischen Anspruch. Sie mochte 1977 so gedacht haben. Damit hätte ich umgehen können. Darum ging es ja auch, um die Gedanken und die Abläufe von damals. Aber ich vermisste eine aktuellere Bewertung. Was mich so irritierte und bis heute irritiert, ist, dass mit dieser Argumentation die Verantwortung für das, was geschehen war, gewissermaßen in der Luft hängen blieb. Ich glaube, deswegen ist es für mich bis heute schwer, mich von der Tat zu emanzipieren, denn niemand hat dafür je wirklich die Verantwortung übernommen.
    Zugleich waren allerdings Susannes Erschütterung über die Tat und die Scham darüber offensichtlich. So sagte sie schon am zweiten Verhandlungstag: »Letztlich ist mir klar, dass ich das Schlimmste tat, was man tun konnte, dass ich das Leben der Familie Ponto und meiner Eltern zerstört habe.«
    Und noch etwas anderes kam hinzu, wenn man den Prozess beurteilen wollte. Es handelte sich um einen Mordprozess, und die springende Frage war: lebenslänglich oder nicht. Nur wenn Susanne es schaffte, das Gericht davon zu überzeugen, dass sie keinen Vorsatz hinsichtlich der Ermordung Pontos hatte oder dass die

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