Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
Prosser saß mit baumelnden Beinen auf einer Kommode wie auf einem Thron, paffte seine Zigarre und beobachtete ihn. Trotz der Kälte spürte Riley Schweiß, der ihm in den Augen brannte. Als es in seinem Kopf wieder still wurde, setzte er sich etwas atemlos wieder hin.
Als hätte jemand direkt neben seinem Ohr ein Radio eingeschaltet, hörte Riley sich beim Frühstück mit Nancy reden.
»Ich war es«, sagte er ehrlich und kam sich schäbig vor. »Ich habe das Laufrad geölt und muss den Käfig offen gelassen haben.«
Nancy lehnte wie benommen an der Arbeitsplatte und brachte kein Wort heraus. Riley begriff es nicht. Sie hatte schon drei Hamster gehabt. Wenn einer starb, holte sie den nächsten. Das war immer so. Aber dieses Mal war es anders. Noch nie war sie so fertig gewesen.
Riley drehte den Kopf, um der Erinnerung zu entfliehen. Sein Blick fiel auf ein Plakat mit einer strahlenden Frau mit einer Flasche Milch. Sie hatte rote Lippen und schneeweiße Zähne. Im Hintergrund waren Unmengen Kinder, die auf die Flasche starrten, als würde sie sie glücklich machen. Fluchend schaute er in die andere Richtung. Aber da sah er eine Mutter mit Kinderwagen und neben ihr einen verkaterten, hageren Mann. Er schloss die Augen, um allem zu entfliehen. Als er sie wieder aufschlug, bemerkte er etwa dreißig Meter entfernt einen Neuankömmling. Er las den Namen auf Rileys Transporter.
Major Reynolds hatte mal gesagt: »Du hast viele Entscheidungen getroffen, und du kannst andere Entscheidungen fällen.« Der Gedanke hatte an Riley geklebt wie Pech. Er war ihn nicht mehr losgeworden. Er hatte nur ein warmes Bett für die Nacht haben wollen, aber der Major hatte ihm Worte gegeben, die in ihm brannten. Du kannst andere Entscheidungen fällen. Die Idee war erschreckend …
Der Mann kam näher. Er war in mittleren Jahren und trug Bomberjacke, Jeans und eine Kappe. Unsicher spielte er mit dem Reißverschluss seiner Jacke. Er zog ihn auf und zu und fragte: »Kann ich eine Nummer kaufen?«
Riley legte so viel Ekel in seinen Blick, dass seine Augen brannten. Wollte er das wirklich weitermachen?
»Entschuldigung«, sagte der Mann verängstigt. »Ich habe mich geirrt …«
Riley winkte ihn zurück und holte ein Notizbuch heraus. Er blätterte die leeren Seiten durch, bis er eine Visitenkarte fand, die er aus einer Telefonzelle in der Nähe des Trafalgar Square mitgenommen hatte. Langsam las er die Nummer vor.
Der Mann schien aufzuwachen und klopfte, bemüht normal, seine Taschen ab. Er holte einen zerknitterten Briefumschlag und einen Stift heraus.
»Ich lese sie noch mal vor«, sagte Riley, richtete aber seine Aufmerksamkeit auf Presser. Der Händler war hinter seinem Stand hervorgekommen und beobachtete jede Bewegung. Er zündete sich eine neue Zigarre an und musterte die rote Glut.
Nachdem der Mann sich die Nummer notiert hatte, fragte er: »Das macht fünfzehn Mäuse, habe ich gehört?«
»Wir reden nicht«, sagte Riley und nahm das Geld. »Das ist die einzige Regel.«
Schnell ging der Mann, verfolgt von Rileys Verachtung, zwischen den Tapeziertischen und Bummlern davon. Als er außer Sicht war, spulte Riley die übliche Routine ab (dabei hatte er immer wieder Nancy vor Augen, die fix und fertig an der Arbeitsplatte lehnte). Er suchte sich auf seinem Tisch eine Vase aus, die mit fünfzehn Pfund ausgezeichnet war, wickelte sie in Zeitungspapier und legte sie in eine Kiste, um sie in den Laden in Bow zu bringen. Dann schlug er den Quittungsblock mit der Aufschrift »Marktstand-Verkauf« auf. Er schrieb eine Quittung für eine fiktive Transaktion: »1 Vase: £ 30. Betrag bar erhalten.« Sorgfältig trennte er das Original von dem blauen Durchschlag. Normalerweise hätte der Kunde es bekommen, aber da es keinen gab, riss Riley es in Fetzen. Dann schlug er einen zweiten Block mit der Aufschrift »Ankauf« auf und schrieb eine zweite Quittung für einen imaginären Ankauf: »1 Vase: £ 15. Betrag bar bezahlt.«
Als Riley damit fertig war, warf er die beiden Quittungsblocks in einen Karton neben seinen Füßen und ließ den Blick noch eine Weile auf diesem Rückgrat seines Systems ruhen. Seit seiner Kindheit hatte er nicht mehr so stark den Drang verspürt, wegzulaufen: weg von den Stimmen, den Plakatwänden, dem ganzen Dreck seines Lebens. Aber er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass mit dem Bleiben eine ganz besondere Lust verbunden war.
Prosser schlenderte paffend einen Pfad entlang. Er tat, als vertrete er sich die
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