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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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schweifte zu Mr. Hillsden. »Ein Verwandter?«
    »Mit Verlaub, nein.«
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, mache ich weiter«, sagte er hastig.
    »Bitte«, sagte Anselm und trat einen Schritt zurück.
    Der Arzt blätterte die medizinischen Unterlagen auf dem Klemmbrett durch, während seine jungen Zuhörer sich im Halbkreis um das Bett aufstellten. Mr. Hillsden rührte sich nicht vom Fleck und blieb mit gesenktem Kopf auf seinen Stock gestützt zwischen ihnen stehen.
    »Männlich, um die sechzig«, dozierte der Arzt. »Erste Einweisung nach einer Schlägerei an der Waterloo Station. Multiple Schlagverletzungen der Schädeldecke. Keine Krankengeschichte.« Er warf einen Blick auf einen emsigen jungen Mann mit Notizblock und Stift. »Edgerton, hören Sie auf zu schreiben. Denken Sie einfach nach. Das ist wesentlich schwieriger. Ergebnis: Ruptur eines Aneurysmas. Louise, eine Definition, bitte.«
    »Eine geplatzte Aussackung in einer Hauptarterie oder Vene, die zu einer Hirnblutung führt«, sagte die junge Frau.
    »Richtig.« Der Arzt hängte die medizinischen Unterlagen an das Bettgestell. »Der erforderliche chirurgische Eingriff ist ähnlich, wie wenn Sie den Schlauch Ihres Fahrradreifens reparieren, nur wesentlich schwieriger. Das dürfen Sie für die Nachwelt festhalten, Edgerton. Im vorliegenden Fall gab es keine postoperativen Komplikationen. Der einzige Haken: Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Behandlung?«
    Verstohlene Blicke richteten sich auf Louise.
    »Es gibt keine.« Der Arzt musterte seinen Patienten mitleidig. »Zur Verankerung von Ereignissen sind Routine und Unterstützung im Alltag wichtig. Wenn er nicht alles aufschreibt, verschwindet die jüngste Vergangenheit wie das Meer bei Ebbe am Strand von Dover. Unter den gegebenen Umständen mag das nicht mal das Schlechteste sein. Gestern Abend fand ihn jemand triefnass vor. Jetzt hat er eine leichte Hypothermie. Behandlung, Gardner?«
    »Bei Zimmertemperatur unter Decken halten.«
    »Genau«, bestätigte der Arzt. »Was Sie jetzt sehen, ist ein pandemischer Zustand, der durch statische Haltung und eine reversible Reduktion der Sensitivität für externe Stimuli gekennzeichnet ist. Diagnose?«
    Niemand sagte etwas.
    »Mit Verlaub«, schaltete Mr. Hillsden sich entschuldigend ein, »der Begriff ›Schlaf‹ hat den Vorteil der Sparsamkeit.«
     
    Draußen vor der Pflegestation schauten Anselm und Mr. Hillsden sich vor einer Tür mit der Aufschrift »Ausgang« noch einmal an. Dieses Mal stand nichts zwischen ihnen bis auf eine Verlegenheit, wie sie auch zwischen Freunden aufkommen könnte, die sich lange nicht gesehen haben. Anselm betrachtete den gesenkten Kopf, das grüne Regencape und die geputzten, aufgeplatzten Halbschuhe. Beiläufig, wie er es auf einem recht steifen Empfang hätte tun können, sagte er: »Darf ich fragen, zu welcher Anwaltskammer Sie gehören?«
    Für einen Moment schaute Mr. Hillsden Anselm mit verwaschenem Blick in die Augen. Der Anflug eines Lächelns zuckte unter dem angegrauten Bart. »Inner Temple.« Die Worte waren kaum zu hören.
    »Welche Abteilung«, fragte Anselm unbekümmert.
    »Vellum Square 3.«
    »Ach.« Anselm kannte die Büros. »Mit dem Blick auf die herrliche Magnolie?«
    Mr. Hillsden nickte. »Da gibt es auch eine Sonnenuhr …«
    Schnelle Schritte hallten durch den Flur. Anselm erkannte am Ende des Ganges den magentaroten Schal von Inspector Cartwright. Er rief sie, worauf sie stockte und ein paar Schritte zurückkam. Mit einem kurzen Winken kam sie zu ihnen.
    »Sie ist Ihnen sicher genauso dankbar wie ich«, sagte Anselm und drehte sich wieder zu Mr. Hillsden um … doch er war fort. Anselm lief ins Treppenhaus und beugte sich über das Geländer, aber er sah nur einen Schatten auf den Stufen, der sich nach unten bewegte.
    »Kommen Sie zurück«, rief er.
    Der Stock hallte auf dem Stein wie das Hämmern eines geduldigen Zimmermanns. Eine Tür außer Sichtweite fiel zu, und Anselm war mit Inspector Cartwright allein.
    »Wer war das?«, fragte sie. Ein Hauch Lavendel wehte mit ihr heran.
    »Nur ein Anwaltskollege.«
     
    Anselm und Inspector Cartwright suchten sich einen Fensterplatz in der Cafeteria. Unten schien das Wasser der Themse fast stillzustehen. Es flackerte hell um das Spiegelbild von Parlament und Big Ben. Der weite Himmel war kalt und blau.
    »Sind Sie aus den Buchungen schlau geworden?«, fragte die Polizeiinspektorin, während sie im Schaum ihrer heißen Schokolade rührte.
    »Nein«,

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