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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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Fast augenblicklich fing er an zu schnarchen. Nancy konnte nicht wieder einschlafen, weil sie abgelenkt war: Irgendetwas war anders im Haus, aber sie kam nicht dahinter, was.

20
    IM SCHLAF LIEF Riley einen dunklen Flur entlang auf ein Fenster zu, dessen Umrisse im grellen Licht verschwammen. Seine Schritte waren nicht zu hören. Er hörte nur das Atmen dieses Etwas hinter sich. Geblendet brach er durch die Glasscheibe, als ob es Pauspapier wäre. Ihm drehte sich der Magen um, und er fiel.
    Noch während er fiel, wusste er, dass es der alte Traum war – der Traum, der am Tag seines Freispruchs begonnen hatte. Und sobald die Treppe auftauchte, war ihm klar, dass es die weiterentwickelte Version war, die angefangen hatte, nachdem das Foto gekommen war, als hätte seine Seele eine Seite weitergeblättert. Er beobachtete sich und erlebte gleichzeitig den wachsenden Schrecken.
    Ganz plötzlich wechselte der Alptraum den Schauplatz. Riley fiel nicht mehr. Sein Magen war wie immer. Er ging durch einen kleinen Flur in einem stillen Reihenhaus. Oben waren drei Schlafzimmer. Draußen hinter dem Haus war ein Gärtchen mit einem Tor, hinter dem drei Bäume standen. Er hatte keine Ahnung, wieso er das alles wusste oder warum ihm klar war, dass die Haustür grün und der Küchenboden aus falschem Marmor war. Es gehörte einfach zu dem Gefühl, in diesem leeren Haus zu sein. Er ging langsam wie ein Taucher unter Wasser. Staub tanzte in der Sonne. Rechts von sich sah er einen offenen Kamin. Der eiserne Kaminrost war sauber. Daneben stand ein Ständer mit Kehrblech und Handfeger; der Schürhaken fehlte. In Rileys Eingeweiden begann es zu knurren – ein Vibrieren, ausgelöst, weil er seine Umgebung erkannte: Es war sein Elternhaus. Er merkte, dass er kein Mann, aber auch kein Kind mehr war; er war etwas dazwischen. Links vor sich sah er eine Hand auf dem Teppich. Sie hing von der untersten Treppenstufe. Der Zuschauer in Riley verschwand. Riley wurde wieder ganz er selbst. Langsam und beherzt wanderte sein Blick den Arm entlang zur Schulter und dem verfilzten Haar.
    Ein lebloses, liebloses Gesicht starrte ihn an. Rileys Entsetzen über seinen eigenen Anblick war so groß, dass er nicht einmal schrie.

TEIL 4
DER WEG EINES MÄDCHENS

1
    ANSELM SCHAUTE MR. Hillsden an. In dem Krankenhausbett zwischen ihnen lag George Bradshaw. Seine Stirn runzelte sich einseitig, als sei sein Gesicht gelähmt. Haare und Bart waren mit einer Schere abgeschnitten, die nur Stoppeln übrig gelassen hatte. Um seine Augen war die Haut bleich, als ob er gerade von einem zweiwöchigen Urlaub auf einer sonnigen Skipiste in den Alpen zurückgekommen wäre.
    »Ich erkenne ihn nicht wieder«, sagte Anselm leise. Der Mann im Zeugenstand war groß und imposant gewesen. Wo hatte er sich herumgetrieben, seit er aus dem Gerichtssaal gegangen war? Was für eine Reise konnte einen Mann derart verändern? Er fragte: »Wie haben Sie ihn gefunden?«
    »Mit Verlaub«, sagte Mr. Hillsden. »Ich habe am Trespass Place gewohnt.«
    »Die ganze Zeit?«
    »Ja, auf dem oberen Absatz der Feuerleiter.« Er stützte beide Hände auf den verzierten Knauf seiner Vorhangstange. »Er hat eine angenehme Lage gewählt, wenn ich das so sagen darf. Südlage und nah an allen örtlichen Einrichtungen.« Aus seinem Ton sprach die Ironie eines Kommentators, der nicht angemessen erklären kann, was er weiß und gesehen hat. Seine wässrig blauen Augen richteten ihren Blick nie höher als bis zu Anselms verschränkten Armen.
    Wie sich herausstellte, hatte Mr. Hillsden mit erhobenem Stock einen Krankenwagen auf der Blackfriars Bridge angehalten. Anschließend hatte er die ganze Nacht im Krankenhaus gewartet, bis die Tagesstätte Vault öffnete und eine mitfühlende Krankenschwester ihn bei Debbie Lynwood anrufen ließ. Sie hatte sich sofort mit Anselm in Verbindung gesetzt, der wiederum Inspector Cartwright eine Nachricht hinterlassen hatte. Mittlerweile war es neun Uhr morgens.
    Anselm musterte die verdrehte Gestalt im Bett. Laut seiner Zeugenaussage war David George Bradshaw verheiratet, Vater eines Kindes und von Beruf Sozialarbeiter im Nachtasyl Bridges. »Wenn du aufwachst, sag mir bitte, was ich falsch gemacht habe«, sagte Anselm.
    Schritte und geschäftiges Treiben kündigten die Ankunft eines Arztes mitsamt Stethoskop und Studenten an.
    »Sind Sie Seelsorger?«, fragte er in freundlichem Ton, der aber eine behandlungsbedürftige Abweichung von der Norm unterstellte.
    »Nein.«
    Sein Blick

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