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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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sehnte sich danach, durch ihren bläulichen Schatten zu schlendern und mit Eicheln und Kastanien zu kicken.
    »Ich kannte mal einen seltsamen Mann namens Nino«, sagte George und ließ den Blick über Baumwipfel schweifen. »Er erzählte mir, auf dem Grund jeder Kiste ist Hoffnung. Egal, welche schrecklichen Sachen herausspringen, wir müssen abwarten, sagte er.«
    Der alte Mann hängte die Hände an die Revers seines Blazers und erzählte dem Tal von diesem Nino, der Geschichten erzählt hatte, die George nur selten beim ersten Hören verstanden hatte. Es waren bruchstückhafte Erinnerungen an Äußerungen, die auf einer Bank oder an einer Mülltonne in der Nähe von Marble Arch oder King’s Cross gefallen waren. Sein Gedächtnis hatte die Teile, die das Ganze leicht verständlich gemacht hätten, nicht behalten. Aber während er erzählte, musste Anselm an Clem denken, seinen alten, längst verstorbenen Novizenmeister, der seine Lehren in mysteriöse Geschichten über die Wüstenväter verpackt hatte. Ganz allmählich erwärmte Anselm sich für George und fühlte sich ihm nah wie früher Clem, und war doch so weit von ihm entfernt – genau wie von Clem. Denn mit jedem Wort wurde eines klar: George verstand Ninos Geschichten, ohne sie erklären zu können. George hatte jene Ruhe und Abgeklärtheit erreicht, die Anselm durch klösterliche Routine erst zu erlangen hoffte. Dieser Bettler neben ihm war bereits zu Hause angekommen: Er hatte dieselben seltsamen Höhen erreicht, die zwei seltsame Meister erklommen hatten.
    »Hier ist ein kleines Geschenk mit vielen Seiten«, sagte Anselm, als er sich verabschiedete. Es war ein Notizbuch mit Larkwoods Adresse und Telefonnummer auf der ersten Seite.
    Anselm ging ins Kalfaktorium, die Wärmestube am Kreuzgang mit dem riesigen offenen Kamin, ein paar Sesseln und einem Telefon. Im Mittelalter hatten sich hier unverwüstliche Mönche aufgewärmt, heute war es einer der vielen Zufluchtsorte im Kloster, wo man auftauen und nachdenken konnte. Der Raum war leer. Anselm setzte sich in die Kaminecke und erledigte einen, wie sich herausstellte, vorbereitenden Anruf.
    Die Provinzialin der Töchter der christlichen Liebe erinnerte sich, dass er sich vor einiger Zeit bei ihr nach Schwester Dorothy erkundigt und von dem versteckten Schlüssel erzählt hatte. Nun wollte Anselm Zugang zu etwaigen Unterlagen über Elizabeth’ Herkunft haben. Er vermutete, dass sie im Archiv des Ordens in Carlisle lagen. Da er fürchtete, dass man ihn abweisen würde, wenn er sich direkt an die Schule wandte, bat er die Provinzialin, sein Ersuchen zu genehmigen.
    »Warum wollen Sie das eigentlich wissen?«, fragte sie. »Ich sehe nicht, was Ihre Bitte mit Ihrem Ziel zu tun hat.«
    »Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr Sohn sich fragt, warum seine Mutter ein Loch ausgerechnet in dieses Buch geschnitten hat, und diese Frage wird ihn zu Dorothy führen«, antwortete Anselm. »Und in dem Maße, wie diese Sache ihrem Ende zugeht, wird sie sich aufklären, fürchte ich. Ich möchte sozusagen bis zur ersten fallen gelassenen Masche zurückgehen – falls es eine gibt –, damit ich ihm vielleicht helfen kann.«
    Die Provinzialin bat Anselm, eine Stunde zu warten und dann in der Schule anzurufen und nach Schwester Pauline zu fragen.
    Kaum hatte Anselm nach dieser Wartezeit die Nummer in Carlisle gewählt, wurde auch schon der Hörer abgenommen. Und ebenso prompt kamen sie zur Sache. Es gab nur ein einziges Blatt Papier in der Akte, erklärte Schwester Pauline. »Ich möchte lieber keine Kopie herausgeben, Pater, aber ich kann es Ihnen vorlesen. Ist Ihnen das recht?«
    »Ja.«
    Umständlich beschrieb sie ihm das Formular und die knappen Eintragungen. Anselm hörte mit geschlossenen Augen zu und stellte sich das Dokument vor. Als sie fertig war, wiederholte Anselm noch einmal die wichtigsten Angaben, um sie sich bestätigen zu lassen.
    »Habe ich das richtig verstanden, Elizabeth Steadman wurde in London geboren, nicht in Manchester?«
    »Richtig.«
    »Über die Eltern sind keine Angaben vorhanden?«
    »Nein.«
    »Als Heimatadresse ist lediglich Camberwell angegeben?«
    »Ja.«
    Anselm wunderte sich, dass man einen so wichtigen Punkt so vage gehalten hatte.
    »Weil wir genau wissen, was es heißt«, erklärte Schwester Pauline. »Camberwell steht für unser Heim. Es bedeutet, dass sie dort gewohnt hat, bevor sie einen Platz an unserer Schule bekam.«
    »Heim?«, fragte Anselm und dachte an das

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