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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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doch nicht deine Schuld«, drängte Nancy erschrocken. »Du hast doch bloß den Käfig offen gelassen.«
    Mit einem Schluchzen, das genauso klang wie sein Lachen, riss Riley die Hintertür auf. Kalte Luft fuhr ihm schneidend ins Gesicht. Er fiel noch immer, aber jetzt schneller.
    »Ich bin hier«, sagte Nancy sanft an seiner Schulter. »Ich bin immer hier, Riley.«
    Bei diesen Worten fing er sich. Er fühlte sich furchtbar geschwächt durch die Erkenntnis, dass er gern leben würde wie andere Menschen; dass er genug davon hatte, alles, was ihm begegnete, zu verbiegen, zu brechen und zu ruinieren. Er hatte sich alle Mühe gegeben, alles kaputt zu machen, was sich kaputt machen ließ. Nancy stand neben ihm auf dem Hof, und mit einem Mal sah Riley sie so, wie er sie vor langer Zeit zum ersten Mal bei Lawtons, am tristen Anfang ihrer Beziehung, gesehen hatte. Sie war immer noch dieselbe alte Nancy, pummelig und hungrig.
    Frost und ein dünner Nebelschleier ließen den Hof vor winzigen Kristallen funkeln. Es war dunkel, und auf Nancys Backsteinstapel glitzerte Raureif. Riley schloss die Augen und dachte mit zunehmenden Kopfschmerzen an Schnee … weite Felder voll frisch gefallenem Schnee bei Nacht, wenn er praktisch von innen heraus glühte – kein Blatt, keine Blume, nur Schnee. So war seine Frau. Das wusste er. Und mit wilder Entschlossenheit wurde ihm klar, dass er das, was er gesehen hatte, nicht verderben wollte, mit keinem einzigen unbedachten Fußabdruck. Verdutzt erkannte Riley, dass er … sie liebte.
    Er schaute hinauf in den nebelverhangenen Nachthimmel. Es waren keine Sterne zu sehen, nur dieser gespenstische Atem der Themse.
     
    Sie saßen am Küchentisch. Nancy hatte Onkel Berties Gift herausgeholt und zwei gleiche Gläser gefüllt.
    »Auf Arnold«, sagte sie.
    Sie stießen an und kippten das Zeug in einem Zug hinunter.
    Nancy hustete, und Riley brannten die Lippen. In die purpurroten Lichtflecken hinein sagte er: »Ich habe genug.«
    Nancy nickte und räumte die Flasche wieder in den Schrank. Weil der Fusel schwarz gebrannt war, versteckte sie ihn immer, obwohl niemand es je kontrollieren würde. Das war typisch Nancy. Er sagte: »Ich habe demnächst einen Weihnachtsmarkt.«
    »Wo?«
    »In Wanstead.« Riley stellte sich die Schneefelder vor, die sich vor ihm ausbreiteten, so weit das Auge reichte. »Das ist der Letzte, den ich mache.« Er konnte es schaffen. Er konnte einen ersten Schritt machen, so lange Nancy noch nichts davon wusste, was hinter ihm lag.
    »Wie meinst du das?« Nancy stemmte die Hände in die Hüften. Ihr Gesicht war immer noch verquollen vom Weinen.
    »Ich mache dicht.«
    »Was, das Geschäft?«
    »Ja.« Er konnte weggehen und immer weitergehen. Jeder Schritt wäre neu. Er brauchte nie mehr zurückzublicken. Eine Art Dunkelheit machte Rileys Blick glasig. Er begriff seine eigenen Gedanken nicht mehr. Das war das Terrain des Majors.
    »Du hast zu viel von Onkel Berties Gift getrunken«, sagte Nancy. Sie lächelte und war in Rileys Augen sehr hübsch.
    »Ein Kerl wie du gibt nie auf.«

7
    ANSELM SCHLIEF UNRUHIG und wachte immer wieder auf, gequält von Georges Ruhe und seiner eigenen Dummheit. Dass der alte Mann ihr früheres Gespräch Wort für Wort wiederholt hatte, war ein Akt der Gnade, hatte aber deutlich gezeigt, dass sein Gedächtnis funktionierte: Er hatte gewusst, dass Anselm in Mitcham war, und er hatte verstanden, dass Emily ihn nicht zurückhaben wollte.
    Als der Morgen kam, handelte Anselm ohne Zögern: Er war London leid. Sein Leben lag anderswo, und Georges von nun an ebenfalls. Er rief in Larkwood an, sagte Bescheid, dass er nach Hause käme, und bat Wilf, den Gästemeister, ein Zimmer für einen müden Pilger vorzubereiten. Im Krankenhaus freundete George sich sofort mit dem Vorschlag an und erzählte, dass er noch nie ein Kloster von innen gesehen habe und Meine Lieder, meine Träume der Lieblingsfilm seiner Frau sei. Im Zug sang er immer wieder das Lied Doe, a Deer, während Anselm das Wappen auf seinem Blazer studierte: Legis Plenitudo Caritas. Es war Warnung und Verheißung zugleich: Das Gesetz würde erfüllt, aber nur durch Liebe. Was hätte Elizabeth daraus wohl gemacht?
    Am frühen Nachmittag war George in einem Zimmer mit Blick auf das Larktal untergebracht. Der Fluss durchschnitt gefurchte Felder, über denen tief die Wintersonne stand. Am anderen Ufer drängten sich Eichen und Kastanien an den Hängen. Anselm lehnte sich neben George auf die Fensterbank und

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