Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
warum.«
6
RILEY SCHRAUBTE DIE Verkleidung ab, die Wasserleitungen und Abwasserrohre in der Küche verbarg. Nancy stand hinter ihm und wartete auf das Ergebnis.
»Nicht da«, sagte er.
»Aber er kann nicht raus«, stöhnte Nancy. »Das hast du doch selbst gesagt.«
Riley brachte die Verkleidung wieder an und dachte sich, dass er das besser nicht gesagt hätte, weil sie sich jetzt daran festklammerte. Er hatte mit gut zehn Minuten Suche gerechnet. Aber Nancy war offenbar bereit, das ganze Haus auseinanderzunehmen. Sie hatte ihn schon in Waschmaschine, Trockner und Kühlschrank nachschauen lassen. Sie würde nicht aufgeben. Vor Erwartung glühten ihre Wangen wie die Nebelscheinwerfer bei Lawtons.
»Ich schaue im Schlafzimmer nach.« Ihre Stimme war angespannt.
»Das ist doch Zeitverschwendung«, sagte er und dachte an die Dunkelheit am Limehouse Cut.
Nancy ging auf alle viere und legte die Wange flach auf den Teppich. Riley stand hinter ihr und betrachtete sie. Ihre penible Konzentration kam ihm lächerlich vor.
»Arnold, wo bist du«, flüsterte Nancy.
Riley kniete sich neben sie, als ob er aus einem Bach trinken wollte. »Nicht da«, sagte er. Es war bitteres Wasser. Er schmeckte etwas anderes als sie. Ihm drehte sich der Magen um wie in seinem Traum.
Diese Scharade spielten sie in jedem Zimmer durch, bis sie wieder in der Küche ankamen und vor dem leeren Käfig standen. Plötzlich sackte Nancy auf einen Stuhl, stützte den Ellbogen auf den Tisch und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Er ist so klein und so schwach.«
Der Ausdruck ließ schlagartig die Tage auferstehen, als Riley noch kurze Hosen trug. Er war ein schmächtiges Kind. Alles war schwer, selbst die Einkaufstasche. Er hatte seine Schwäche gehasst. Als er wieder in die Gegenwart zurückkehrte, merkte er, dass Nancys Schultern bebten. Sie lacht, dachte er erleichtert und kicherte nervös. Langsam schaute Nancy auf und zeigte ihre Tränen.
»Wie konntest du bloß«, hauchte sie ungläubig.
Riley wurde bleich und dachte, dass sie es die ganze Zeit gewusst haben musste, dass sie wie die Katze um den heißen Brei herumgeschlichen war, um ihm die Chance zu geben, einzugestehen, was er getan hatte. Er geriet in Panik und musste wieder kichern.
»Na los, lach doch«, heulte sie stolz und trotzig. »Gesell dich doch zu all den anderen, die finden, dass Nancy Riley eine Witzfigur ist.« Sie schlug die Hände vors Gesicht.
Riley wartete, dass es vorüberging, aber sie hörte nicht auf. Sie schluchzte leise in ihre Hände und schüttelte den Kopf, während er sie anschaute, als ob er neben sich stünde, und sein Körper gegen seinen Willen immer noch am liebsten gelacht hätte. Je länger er sich Nancys Kummer anhörte und ihr verdecktes Gesicht anschaute, umso losgelöster kam er sich von sich selbst vor. Er wich vor diesem schrecklichen Anblick zurück – noch nie hatte er sie so weinen sehen –, aber seine Lungen waren kurz vor dem Platzen. Ohne dass er es hätte verhindern können, fing er an zu lachen.
Nancy ließ die Hände sinken. Unbewegt schaute sie ihn an, wie er sie angeschaut hatte. Mit einem rosa Papiertuch tupfte sie sich die Wangen ab, als ob sie Make-up auflegte.
Riley konnte nicht aufhören zu lachen. Seine Stimme bebte völlig unkontrolliert und wurde immer lauter. Er versuchte, das Lachen mit einem Husten und einem Pfeifen zu unterdrücken, aber es nützte nichts. Es war, als würde er nackt ausgezogen und Nancy könnte ihn so sehen, wie er war. Sie rannte nicht hinaus; sie weinte einfach weiter, tupfte sich die Wangen und schaute ihn an wie einen traurigen Film. Es gestaltete sich zu einer Art Spiel: Wer würde wohl zuerst aufhören, er oder sie? Bei dem Gedanken erholte er sich etwas, weil er nicht gewinnen wollte: Er konnte es nicht mehr ertragen, ihr zuzusehen. Die Hysterie war vorbei. Und trotzdem …
Riley wusste nicht, wie ihm geschah. Er befühlte seine Wangen … sie waren nass wie Steine am Strand. Nancy stand auf, als hätte jemand an die Tür geklopft. Neugierig und verängstigt kam sie zu ihm, während Riley zurückwich. Seine Tränen liefen weiter. Alle Muskeln in seinem Gesicht taten weh, und trotzdem empfand ein Teil von ihm gar nichts, weil er so weit weg war wie ein Ballon, der unter der Küchendecke schwebte. Dann spürte er, wie Erschöpfung und der Wunsch, keinen Widerstand mehr zu leisten, die Luft aus ihm herausließen: Er sank herab zu einem gequälten Mann mit nassem, verzerrtem Gesicht.
»Es ist
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