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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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beruhigte sie wohl. Sie nickte.
    »In der Klinik hatte ich eine Therapeutin, die meinte, ich solle nach etwas suchen, was meinem Leben eine Struktur geben würde. Ich hatte keine Familie mehr, und sie kannte jemanden in der Armee. Also schrieb sie für mich ein Empfehlungsschreiben, und es dauerte keine zwei Wochen nach meiner Entlassung aus der Klinik, bis ich bei der Armee anfing. Das war mein neues Leben. Ich arbeitete mich hoch, war bei der SAS, sammelte Kampferfahrungen. Ich habe den Tod gesehen, ich habe andere getötet. Nichts davon berührte mich. Ich war der Meinung, dass der Funke, der mich zum Menschen machte, ausgegangen war – begraben in einem kleinen Sarg mit einem kleinen Leichnam. Wir beide waren tot, gestorben an einem kranken Herzen.«
    Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und starrte dann auf ihren feuchten Ärmel. »Ich weine so gut wie nie mehr. Nur wenn ich nachts manchmal aufwache und im Traum Brians Hand gehalten und seinen letzten Herzschlag gehört habe. Es ist schon Jahre her, dass ich das letzte Mal geweint habe, Joe. Viele Jahre.«
    Mein Mund war trocken. Ich trank einen Schluck Bier, um wieder besser atmen zu können.
    »Als al-Qaida das World Trade Center in die Luft jagte, habe ich nicht geweint. Ich war nur wütend. Als die Bomben in der Londoner U-Bahn hochgingen, wurde ich noch entschlossener. Grace Courtland, Major in der SAS, kampferfahren und gefühllos.« Sie holte tief Luft und atmete sie laut wieder aus. »Und dann passierte das in St. Michael’s. Wir sind hinein, schnell und professionell, so wie wir es trainiert hatten. Sie hatten leider keine Chance, das DMS in ihren besten Stunden zu erleben, aber das Bravo- und das Charlie-Team war voller Cracks. Alles die besten Männer und Frauen, alle mit unglaublich viel Erfahrung. Alle entschlossen,
schnell und effektiv. Wir hatten die beste Ausrüstung, die ausgeklügeltste Taktik – nichts wurde dem Zufall überlassen. Und wissen Sie, was passierte? Meine Kollegen wurden wortwörtlich abgeschlachtet ! Männer und Frauen – in Fetzen gerissen. Zivilisten töteten unsere bewaffneten Soldaten mit ihre Zähnen und Händen. Kinder, die einen Schuss nach dem anderen in die Brust bekamen, wurden zu Boden gerissen, rappelten sich aber immer wieder auf, um sich erneut auf uns zu werfen.«
    »Gütiger Himmel«, flüsterte ich.
    »Gott glänzte an diesem Tag durch Abwesenheit«, erwiderte Grace mit einer Stimme, die ich bisher nicht von ihr gehört hatte. »Ich bin eigentlich nicht religiös, Joe. Glaube ist etwas, was sich mir nie richtig eröffnet hat. Und nach Brians Tod konnte ich sowieso nichts mehr damit anfangen. Aber wenn es jemals den Funken eines Glaubens in mir gegeben hat, dann ist er an diesem Tag unwiederbringlich verlöscht.«
    »Grace … Sie wissen, dass Church keine andere Wahl hatte, nicht wahr?«
    »Na und? Das macht es nicht besser. Ich weiß , dass wir keine andere Wahl hatten, deswegen trafen wir sie ja – unsere sogenannte Wahl. Wir waren dabei, zu verlieren, Joe. Auf einmal war das ganze Training, all die Macht, die wir zu haben glaubten, sinnlos geworden. Genauso, wie sich die Medizin für Brian als sinnlos herausstellte. Das Einzige, was uns übrig blieb, war, einen weiteren Schalter in uns auszuknipsen, denn ansonsten … Wir hatten keine andere Wahl.« Sie weinte erneut, aber sie machte sich nicht mehr die Mühe, die Tränen abzuwischen.
    Stattdessen lächelte sie mich unsicher an. »Die Sache ist die … Das war noch schlimmer, als mein Baby zu töten. Noch schlimmer, verstehen Sie? Und wissen Sie, was ich danach empfand? Schuld. Nicht, weil ich diese ganzen Menschen auf dem Gewissen hatte. Nein, ich fühlte – ich
fühle – Schuld, weil das der schlimmste Moment meines Lebens war. Und wahrscheinlich für immer bleiben wird. Jetzt mache ich mir Vorwürfe, weil ich mich von meinem Baby abgekehrt habe, weil diese Situation größer, schlimmer, gewaltiger für mich war als sein Tod. Es kommt mir so vor, als ob ich Brian ein zweites Mal verloren hätte. Aber diesmal für immer. Es tut einfach so verdammt …«
    Sie verlor für einen Moment die Stimme und schluchzte. Verzweifelt verbarg sie den Kopf in ihren Händen. Ich war bei ihr, ehe ich wusste, was ich tat, und nahm sie in meine Arme. Vorsichtig drückte ich sie an mich, ihren Kopf gegen meine Brust gepresst. Ihr Schluchzen durchschnitt meine Muskeln, mein Fleisch und in mein Herz. Ich hielt sie eng bei mir und küsste ihre Haare.
     
    Sie weinte

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