Patient Null
sich vor. »Roger. Ich bin hier, direkt neben Ihnen.«
»Geht … es … Ihnen … gut …«
»Ja, Roger. Mir geht es gut. Sie haben mich vor ihnen gerettet.«
Roger lächelte, und seine Augenlider schlossen sich. Sein Griff war immer noch fest. Er bewegte die Lippen und fing zu flüstern an. Ich beugte mich zu ihm hinunter, um seine letzten Worte zu verstehen.
»Captain!«, warnte mich Top.
»Ich … Ich habe gesehen, wie es funktioniert.« Blut lief ihm aus dem Mund. »Tun Sie, was … was Sie tun müssen.«
»Das werde ich«, versprach ich ihm. »Sie können ganz ruhig sein, Roger. Sie haben die First Lady gerettet.«
Mit letzter Anstrengung warf er mir ein schwaches Lächeln zu. »Man tut … was man kann.« Er versuchte zu lachen, brachte aber nicht mehr die Kraft dazu auf. Also legte er sich zurück.
»Bringen Sie die First Lady von hier weg«, befahl ich Top. »Sofort.«
»Was soll das?«, protestierte sie, als sich Top ihr näherte. »Wir können ihn doch nicht einfach so liegen lassen!«
»Madam«, sagte Top. »Sie haben gesehen, was passiert. Lassen Sie den Captain seine Arbeit verrichten. Es ist das Beste … Das Beste für Roger.«
»Top … Raus mit ihr!«
Die First Lady richtete sich auf. Tränen liefen ihr über die Wangen. Aber sie bewahrte Haltung, während sie davonging. Obwohl ich nicht für ihren Mann gestimmt hatte, flößte sie mir in diesem Moment gehörigen Respekt ein.
Als sie draußen war, ließ ich Roger los. Sein Griff war schlaff geworden. Ich nahm ein Kissen von einem Stuhl und bedeckte sein Gesicht damit. Dann zählte ich die Sekunden nach seinem letzten Atemzug. Noch bevor ich vierzig erreicht hatte, spürte ich das erste Zucken des Monsters unter mir. Ich presste die Pistolenmündung gegen das Kissen und drückte ab. Warum ich ein Kissen nahm? Vielleicht weil ich dachte, dass der Schuss so leiser sein und die First Lady nicht so mitnehmen würde. Oder weil
ich Roger so etwas wie Respekt zollen konnte. Oder einfach nur weil ich es nicht ertrug, einen guten Mann so sterben zu sehen. Wahrscheinlich waren es alle drei Gründe zusammen.
Ich stand auf und schaute Skip an. Der junge Seemann vermied es, mir in die Augen zu blicken. Er wandte sich ab, und ich folgte ihm aus dem Raum in den nächsten. Dort saß die First Lady auf einem Ledersessel. Top hatte ihr einen Becher mit Wasser vom Wasserspender gebracht. Sie nippte daran und starrte mich ausdruckslos an, als ich eintrat.
Das Büro war groß und sah so aus, als wären hier normalerweise Graphiker am Werk. Die Arbeitstische waren riesig, und Werbeplakate für das Center hingen an den Wänden. Außerdem gab es zwei große Poster-Drucker. Das Büro hatte zwei weitere Türen, die beide offen standen. Ich wollte gerade Skip anweisen, nachzusehen, was sich in den anliegenden Räumen befand, als zwei Gestalten aus dem Schatten der linken Tür traten. Sie kamen schnell auf uns zu und waren bewaffnet.
Ollie Brown und »Special Agent« Michael O’Brien.
117
Grace / im Glockenraum Samstag, 4. Juli / 12:13 Uhr
»Major … Achtung!«, brüllte Bunny, und Grace wirbelte genau in dem Augenblick herum, als sich die Nachrichtensprecherin von Kanal Sechs auf sie stürzte. Ihre Haut war durchsichtig wie Wachs, und ihre Augen wirkten rund und leer wie silberne Dollarmünzen. Sie fauchte vor unstillbarem Hunger, als sie sich auf Graces Kehle stürzen wollte.
»Verdammt!« Grace schoss der Frau zweimal ins Gesicht. Blut spritzte auf die drei knurrenden Gestalten, die nun
hinter der Nachrichtensprecherin ebenfalls das Podium erklommen.
»Was zum Teufel haben Sie da getan?«, schrie Mrs. Collins und fasste nach Graces Pistole. Sie schaffte es, den Lauf nach unten zu richten, so dass der nächste Schuss auf den Boden ging und ein Stück Marmor herausschoss, das sich in den Schenkel des kanadischen Botschafters bohrte. Dieser fiel sofort zu Boden und stieß einen Schmerzensschrei aus. Schon stürzten sich zwei Wiedergänger auf ihn.
Grace rang die Frau des Vizepräsidenten nieder, was nicht leicht war, da diese ungeahnte Kräfte entwickelte. Sie musste Mrs. Collins mit der Linken einen Schlag in den Nacken verpassen, damit sie in die Knie ging. Grace hatte gerade noch genügend Zeit, um ihre Pistole wieder zu heben und zwei Schüsse auf den heranstürmenden Wiedergänger zu feuern. Die Leiche machte noch einen letzten Schritt nach vorn, brach in sich zusammen und stürzte zwei Zentimeter neben der Frau des Vizepräsidenten auf den
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