Patient Null
das wissen?«
Skip hob beide Pistolen. Eine Mündung richtete er an die Schläfe der First Lady, und mit dem anderen Lauf zielte er auf meinen Kopf.
»Hat mir ein kleiner Vogel gezwitschert.«
Dieser Hurensohn.
119
Gault und Amirah / Im Bunker
Gault wandte sich wieder Amirah zu. Ihr Hunger und ihr Hass waren so stark, dass ihm die Metallwand, die sie trennte, dünn und zerbrechlich wie Papier vorkam. Er blickte auf seine Armbanduhr, und sein Herz setzte für einen Moment aus. Die Verstärkung hätte schon längst da sein sollen.
»Erwartest du jemanden, Sebastian?«, schnurrte Amirah.
»Diese Schlacht kannst du nicht gewinnen«, fuhr er sie an. »Ich werde es nicht zulassen, dass du alles zerstörst, was ich geschaffen habe.«
Ihre Miene verdunkelte sich. »Du wirst es nicht zulassen? Was macht es aus, was du willst? Nur der Wille Allahs zählt. Das und nichts anderes!«
Die Wut in ihm verdrängte langsam die Trauer, die er anfangs noch verspürt hatte. »Ich finde diesen ganzen religiösen Schwachsinn allmählich öde, meine Liebe. Warum erlöse ich dich nicht einfach von diesem irdischen Leben? Dann kannst du endlich bei deinem Allah sein.«
Sie ignorierte ihn. »Da ist jemand, der dich sprechen möchte, Sebastian«, sagte sie stattdessen.
Vorsichtig trat er auf den Spalt in der Wand zu, während sie zurücktrat, um ihm bessere Sicht zu gewähren. Unter ihr wurden die Schreie und das Stöhnen immer lauter. Die Wände waren mit Blut verschmiert. Die Infizierten hatten sich inzwischen auf diejenigen gestürzt, bei denen der Krankheitserreger etwas länger dauerte, bis er sich ausbreitete. Das Bild, das sich ihm bot, schien direkt einem Alptraum zu entspringen. Es war wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch, dem Leben eingehaucht worden war. Nun trat jedoch eine Gestalt in sein Blickfeld.
Es war Anah, eine junge Frau, an die sich Gault nur noch vage erinnerte. Sie war eine Cousine El Mudschahids.
Auch sie hatte denselben träumerischen Ausdruck im Gesicht wie Amirah, ebenso wie die gleiche graue Haut. Doch ihr Mund war voller Blut, und in ihren Händen hielt sie etwas so Grauenvolles, dass Gault die Hand auf seinen Mund pressen musste, um sich nicht zu übergeben.
Anah trug den Kopf Captain Zellers – des Leiters der Global Security und somit Gaults Verstärkung.
Gault würgte, hob die Pistole und zielte durch den schmalen Spalt. Dann schoss er eine Kugel nach der anderen auf Anah. Er durchlöcherte ihre Brust und ihr Gesicht. Sie stolperte rückwärts und fiel über das Metallgeländer in die Kantine hinab. Dabei gab sie keinen Ton von sich. Er vernahm nur den dumpfen Aufschlag ihres Körpers.
»Du bist völlig durchgedreht!«, schrie er Amirah an und drückte erneut ab. Die erste Kugel traf sie im Magen. Sie taumelte einige Schritte rückwärts, das Gesicht schmerzverzerrt.
Nein …
Es war kein Schmerz. Amirah fing zu lachen an. Blitzartig drehte sie sich und rannte den Gang entlang. Gault feuerte erneut. Jetzt wollte er sie treffen. Er musste sie außer Gefecht setzen, sie tot sehen. Er traf mindestens drei weitere Male, bis sie so weit gelaufen war, dass er sie nicht mehr erkennen konnte. Er wusste, dass er getroffen hatte. Ihre Burka bauschte sich jedes Mal auf, und Blut spritzte an die Wände. Aber Amirah war trotzdem weitergelaufen, und mit jedem Schritt, den sie machte, rief sie höhnisch lachend seinen Namen.
Dann war sein Magazin leer. Er wandte sich keuchend von dem Spalt ab. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Mit zitternden Händen suchte er nach einem neuen Magazin und schob es hinein. Schweiß rann ihm übers Gesicht, und seine Brust war klatschnass.
In einem Anfall von Panik zückte er sein Satellitentelefon, aber Toys antwortete nicht. Auf Hilfe konnte er also
nicht mehr hoffen. Er war allein. Panik ergriff ihn, und vor seinen Augen verschwamm alles für einen Moment.
Amirah wusste über die Geheimgänge Bescheid, die er in den Bunker hatte einbauen lassen. Wenn sie und El Mudschahid ihn bereits die ganze Zeit über hintergangen hatten, war es auch nicht abwegig, dass sie sich in seinen Computer gehackt hatten. Davon musste er ausgehen. Schließlich waren sämtliche Geheimpassagen dort aufgelistet.
Verdammt. Das Gleiche galt für die Detonationscodes, um den Bunker in seine Einzelteile zu zerlegen. Zugegebenermaßen konnten Amirah jetzt sowieso weder Geheimgänge noch eine Detonation aufhalten. Sämtliche Optionen, auf die er sich verlassen hatte und ohne die er nicht
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