Patient Null
nachlässig geworden. Außerdem strahlte er eine beinahe vermessene Zuversicht aus. Trotz Toys’ regelmäßigen Warnungen nahm Gault zu viele Risiken in Kauf oder schmiedete Pläne innerhalb von bereits existenten Plänen – und das alles wegen dieser Hexe.
»Amirah«, sagte er erneut.
Wie sehr er sie bluten sehen wollte …
36
Baltimore, Maryland Dienstag, 30. Juni / 15:25 Uhr
Die vier Männer meines Teams glotzten mich an. Vor einer halben Stunde hatten wir uns das erste Mal gesehen, und ich hatte sie in Grund und Boden geknüppelt. Jetzt sollte ich diese Gruppe anführen und zusammen mit ihren Mitgliedern eine Terroristenzelle unterwandern. Das Ganze barg unglaubliche Risiken in sich. Von den infizierten Höllengestalten wollte ich gar nicht erst anfangen. Aber wie sollte ich mit diesen Männern vernünftig sprechen, wenn derartige Risiken wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen hingen?
Okay, dachte ich, wenn du es machst, Kleiner, dann mach es auch richtig.
» Still gestanden!«
Ich hatte nicht gewusst, dass die vier so schnell aufstehen konnten. Allesamt nahmen sie eine perfekte Haltung an, ganz so, als ob sie als Soldaten auf die Welt gekommen wären. Ich ging auf sie zu und bedachte jeden mit einem langen, harten Blick. »Ich mag Drohungen nicht, aber Reden mag ich noch weniger. Das hier wird also kurz und knapp. Da ihr euch hier befindet, seid ihr im Bilde, womit wir es zu tun haben. Vielleicht wissen einige von euch sogar mehr als ich. Egal. Ihr sollt die Besten der Besten sein, wurde mir gesagt. Bis heute Nachmittag war ich Polizist beim Baltimore PD. Church meinte, dass ich jetzt Captain sei, aber ich trage weder die nötigen Abzeichen noch gibt es einen Gehaltsscheck mit dem Namen ›Captain Ledger‹ darauf. Trotzdem leite ich nun das Echo-Team. Jeder, dem das nicht gefällt oder der glaubt, mit mir nicht zusammenarbeiten zu können, darf abtreten. Ohne Folgen, versteht sich. Sie haben genau eine Sekunde, eine Entscheidung zu treffen.«
Keiner rührte sich.
»Gut, dann wäre das geklärt. Stehen Sie bequem.«
Dann weihte ich sie in meine Armee- und Polizistenkarriere ein und gab ihnen etwas Hintergrund zu meiner Kampfausbildung. Ich schloss mit den Worten: »Ich kämpfe nicht aus Spaß oder wegen der Trophäen. Ich bin ein Kämpfer, und ich trainiere, weil ich jeden Kampf gewinnen will. Ich glaube nicht an unsinnige Regeln. Faire Kämpfer gibt es nur im Märchen. Wenn Sie einen fairen Kampf wollen, werden Sie Mitglied eines Boxvereins. Ich glaube auch nicht daran, dass ich für mein Land sterben muss, sondern sehe das eher wie General Patton: ›Soll doch ein anderer für sein Land sterben.‹ Gibt es irgendwelche Einwände?«
»Hurra«, murmelte Sergeant Mecki, was in diesem Fall vermutlich so viel bedeutete wie »Arschloch«.
»Es könnte sein, dass wir schon morgen einen Einsatz haben. Es gibt also keine Zeit zu verlieren und auch keine Zeit für Kameradschaften, Geschichten am Lagerfeuer oder Mundharmonikamusik. Wir wurden als Einsatztruppe an Bord genommen. Das heißt, wir stehen in der ersten Reihe. Wir werden unser Bestes geben, um unbemerkt in diese Zelle einzudringen. Aber sobald wir den Befehl erhalten, zu töten, will ich Blut sehen – ganz gleich, ob Sie sich gerade danach fühlen oder nicht. Sobald wir entsichern und zielen, Gentlemen, sollen es diese verdammten Höllenhunde mit der Angst zu tun bekommen, und zwar so sehr, dass ihnen die Knie schlottern. So wahr ich hier stehe: Früher oder später werden wir sie vernichten. Wir werden ihnen nicht nur empfindlich wehtun, sie nicht nur aufhalten … Nein, wir werden sie ausradieren, und zwar jeden Einzelnen. Ende der Rede.«
Ich trat auf Sergeant Mecki zu. Seine dunkelbraune Haut war von frischen und alten Narben übersät. »Name und Rang«, wollte ich wissen.
»Erster Sergeant Bradley Sims, U.S. Army Rangers, Sir. Meine Freunde nennen mich Top, Sir.«
Sir. Daran musste ich mich erst gewöhnen. »Okay, gut. Warum sind Sie hier?«
»Um meinem Land zu dienen, Sir.« Er hatte den Dreh heraus, ohne jeglichen Augenkontakt durch einen Offizier hindurchzuschauen. Recht beeindruckend.
»Sie sollen mir nicht in den Arsch kriechen. Warum sind Sie hier?«
Jetzt blickte er mich an. Ich konnte das Feuer sehen, das in seinen dunkelbraunen Augen brannte. »Vor einigen Jahren habe ich den aktiven Dienst quittiert, um einen Trainingsposten in Camp Merril aufzunehmen. Kurz darauf kam mein Sohn Henry im Irak ums Leben. Der
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