Patria
bewunderte. Nachmittags hatte er bei den Reiseführern aufgeschnappt, dass der Hieronymusorden, der im Jahr 1500 das Kloster in Besitz genommen hatte, ein kleiner Orden gewesen war, der sich dem Gebet und der stillen Andacht widmete und sich über religiöse Reformen Gedanken gemacht hatte. Eine ausdrücklich evangelikale oder pastorale Mission hatte der Orden nicht verfolgt. Vielmehr hatten seine Mitglieder sich bemüht, durch Andacht und Gebet ein vorbildliches Christenleben zu führen, ähnlich wie ihr Schutzpatron Hieronymus, über den Malone in dem Buch gelesen hatte, das ihm in Bainbridge Hall in die Hände gefallen war.
Sie blieben vor einer Glastür stehen, die in einen der reich verzierten Bögen eingelassen war. Dahinter lag der Souvenirladen.
»Eine Alarmanlage gibt es hier bestimmt nicht«, meinte McCollum. »Was gibt es hier schon zu stehlen? Ein paar Andenken?«
Die Türen, die aus dickem Glas bestanden, waren nur mit metallenen Türangeln und verchromten Türgriffen verziert.
»Die Tür geht nach außen auf«, sagte Malone. »Sie lässt sich nicht eintreten. Dieses Glas ist mehr als einen Zentimeter dick.«
»Probier doch einfach mal, ob sie verschlossen ist«, meinte Pam.
Malone legte die Hand an den Türgriff und zog.
Die Tür ging auf.
»Allmählich verstehe ich, warum deine Klienten Wert auf deine Meinung legen.«
»Warum sollten sie diese Tür abschließen?«, fragte Pam. »Das Kloster ist doch die reinste Festung. Und McCollum hat recht, was gibt es hier schon zu stehlen? Die Tür ist wertvoller als die Ware.«
Ihre Logik ließ ihn lächeln. Sie hatte einen Teil ihrer Sicherheit wiedergewonnen, und er war froh darüber, denn es hielt ihn auf Trab.
Sie traten ein. Der dunkle, muffige Raum erinnerte Malone an den Beichtstuhl. Daher machte er die Tür weit auf und arretierte sie wie tagsüber, wenn die Besucher hier ein- und ausgingen.
Der Laden maß etwa sechs auf sechs Meter. An einer Wand standen drei hohe Schaukästen, an zwei anderen Wänden Bücherregale, und an der vierten die Ladentheke mit der Kasse. In der Mitte befand sich ein Büchertisch.
»Wir brauchen Licht«, sagte Malone.
McCollum trat zu der zweiten Glastür, die auf eine stockdunkle Treppe hinausführte. Dort waren drei Schalter an der Wand angebracht.
»Wir sind hier mitten im Kloster«, bemerkte Malone. »Von draußen wird man dieses Licht nicht sehen können. Aber schalten Sie es trotzdem nur kurz an und sofort wieder aus, dann sehen wir mal, was passiert.«
McCollum drückte auf einen der Schalter, und vier kleine Halogenstrahler, die auf die Glasvitrinen gerichtet waren, leuchteten auf. Ihre Lichtstrahlen fielen senkrecht nach unten und reichten als Beleuchtung vollkommen aus.
»Das genügt«, sagte Malone. »Und jetzt lasst uns Fotos finden.«
Auf dem Tisch in der Mitte lag ein Stapel gebundener Bücher auf Portugiesisch und Englisch, alle mit dem Titel: Das Hieronymuskloster von Santa Maria. Sie waren auf Hochglanzpapier gedruckt und enthielten viel Text und auch Fotos. Daneben lagen Stapel mit zwei dünneren Bändchen, die deutlich mehr Fotos als Text aufwiesen. Malone blätterte ein Büchlein durch, Pam das andere. McCollum inspizierte währenddessen die Bücherregale. Im hinteren Teil seines Buches fand Malone dann einen Abschnitt über Chor und Apsis und ein Farbfoto der silbernen Tür des Altarretabels.
Er hielt das Buch unter einen Lichtstrahl. Das Foto war aus der Nähe aufgenommen worden und zeigte viele Details. »Das ist es.«
In der Hoffnung, eine nützliche Information zu erhalten, las er die Erläuterungen über das Retabel und erfuhr, dass es eine versilberte Holzarbeit war. Als es in der Apsis angebracht wurde, hatte man dafür das mittlere der drei unteren Gemälde entfernen müssen, das inzwischen nicht mehr auffindbar war. Das Abbild des entfernten Gemäldes war aber in die Tür des Sakrariums eingearbeitet worden und vervollständigte den Bilderzyklus über das Fest der Erscheinung des Herrn. Auf der Tür sah man Kaspar, einen der drei Weisen, der das Neugeborene anbetete. Der Text merkte an, das Erscheinungsfest symbolisiere die Unterwerfung des Weltlichen unter das Göttliche, und die drei Weisen stünden für die damals bekannten Erdteile Europa, Asien und Afrika.
Dann stieß Malone auf einen interessanten Absatz:
Für bestimmte Jahreszeiten, in denen die Sonnenstrahlen in einem exakt vorausberechneten Winkel in die Kirche fallen, wird von einem eigenartigen Phänomen berichtet.
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