Patria
von ihrem Tisch und ging zur Glasfront. Draußen auf dem schattigen Parkplatz herrschte ein reges Kommen und Gehen.
»Er hat über das Amendment Nummer 25 geredet und erzählt, dass er es bis ins Detail studiert habe. Er fragte mich, was ich darüber wisse, und ich musste passen. Ich tat so, als wäre ich betrunken und interessierte mich nicht für die Sache, aber das stimmte natürlich nicht.«
Stephanie wusste, was im Zusatzartikel 25 der Verfassung der Vereinigten Staaten stand:
Im Falle der Amtsenthebung des Präsidenten, seines Todes oder seines Rücktritts wird der Vizepräsident Präsident.
71
Sinai-Halbinsel
Malone sah auf die Uhr. 11.58 Uhr. Zweimal hatte er schon durch die beiden Öffnungen geschaut, aber nichts gesehen. Pam und McCollum standen unter ihm, während er auf dem Stapel aus vierzehn Steinen balancierte.
Um Punkt zwölf ertönte in der Ferne plötzlich ein Glockenspiel.
»Das ist unheimlich«, sagte Pam. »Hier mitten im Nirgendwo.«
Malone war ihrer Meinung. »Es klingt so, als wäre es ziemlich weit weg.« Als wäre es im Himmel , dachte er.
Über ihm brannte die Sonne. Sein Tarnanzug war schweißnass.
Wieder starrte er durch die Öffnungen.
Entlang dem Bergkamm, der sich vor ihm erstreckte, konnte er nun eine Kette dunkler Flecken ausmachen. Sie sahen aus wie schwarze Augenhöhlen, vielleicht waren es einmal die Höhlen von Eremiten gewesen. Dann fiel Malone etwas auf. In einen der Berghänge war ein Pfad eingeschnitten. Ob es ein Kamelweg war? Bevor sie Lissabon verlassen hatten, hatte er recherchiert und erfahren, dass die hiesige Bergkette hier und da fruchtbare Senken barg, die die Beduinen farsh nannten. Normalerweise bedeutete das, dass es da eine Quelle gab, die die wenigen Bewohner dieser verlassenen Gegend unweigerlich anzog. Das Katharinenkloster, das im Süden in der Nähe des Mosesbergs lag, hatte eine solche farsh , und Malone hatte vermutet, dass es hier noch weitere Quellen geben musste.
Malone sah zu, wie die Schatten verschwanden und die blaugrauen Berge plötzlich rot aufleuchteten. Der weinrote Felsenpfad wand sich wie eine Schlange den Berg hinauf, und die Fensteröffnungen umrahmten das Panorama wie ein Bilderrahmen.
Sieh die endlosen Windungen der zornroten Schlange.
»Gibt’s was zu sehen?«, fragte Pam.
»Ja. Alles.«
Stephanie sah Larry Daley ungläubig an. »Sie wollen behaupten, dass der Vizepräsident vorhat, den Präsidenten ermorden zu lassen?«
»Ja. Genau das läuft meiner Meinung nach gerade ab.«
»Und wie kommt es, dass Sie der einzige Mensch weit und breit sind, der davon Wind bekommen hat?«
»Ich weiß es nicht, Stephanie. Vielleicht bin ich einfach ein cleveres Kerlchen. Aber ich weiß, dass da etwas vor sich geht.«
Sie musste mehr herausbekommen. Deswegen hatte Daniels sie schließlich hierhergeschickt.
»Larry, Sie versuchen doch nur, Ihre Haut zu retten.«
»Stephanie, Sie sind wie der Mann, der eine verlorene Geldmünze im Licht einer Straßenlaterne sucht. Jemand kommt vorbei und fragt, was er macht. Der Mann antwortet: ›Ich suche eine verlorene Münze.‹ Der andere fragt: ›Wo haben Sie sie denn verloren?‹ Der Mann zeigt zu einer weit entfernten Stelle und sagt: ›Da drüben.‹ Der andere wundert sich und fragt: ›Und warum suchen Sie dann hier?‹ Und der Mann antwortet: ›Weil ich hier Licht habe.‹ Genau so verhalten Sie sich im Moment, Stephanie. Hören Sie auf, dort zu suchen, wo Licht ist, und suchen Sie dort, wo es nötig ist.«
»Dann sollten Sie aber etwas konkreter werden.«
»Ich wünschte, das könnte ich. Es sind einfach all diese Kleinigkeiten, die zusammenkommen. Da sind diese Versammlungen, die kein Präsidentschaftskandidat verpassen würde, die der Vizepräsident aber sausen ließ. Dann hat er unnötig Leute verärgert, die er später noch brauchen wird. Er umwirbt die Partei nicht. Es sind keine Dinge, die besonders ins Auge fallen, nur Kleinigkeiten, die ein Politikfreak wie ich bemerkt. Wenn überhaupt, so sind nur die wenigsten von uns Insidern eingeweiht worden. Das Ganze muss in einem ganz kleinen Kreis geplant worden sein.«
»Gehört Brent Green auch dazu?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Brent ist ein sonderbarer Kerl. Er ist überall Außenseiter. Gestern habe ich bei ihm auf den Busch geklopft und ihn bedroht. Aber er hat die Fassung bewahrt. Ich wollte wissen, wie er reagiert. Als Sie dann in mein Haus kamen und dieses Buch fanden, wusste ich, dass Sie meine Verbündete werden
Weitere Kostenlose Bücher