Patria
Einzige, was wir tun können.«
»Warum gibst du ihnen nicht einfach, was sie wollen?«
»So einfach ist das nicht.«
»Doch, natürlich.«
Er sah sie nicht an. »Danke für den guten Rat.«
»Du bist ein Arschloch.«
»Ich liebe dich auch. Und jetzt, wo alles gesagt ist, können wir uns vielleicht endlich auf das konzentrieren, was wir zu tun haben.«
Der Mann bog nach rechts in eine andere Straße ein und verschwand aus ihrem Blick.
Malone hastete vorwärts, blickte um die Ecke und sah, dass der Schütze auf ein verdrecktes Volvo-Coupé zuging. Hoffentlich fuhr er nicht weg. Sie hätten keinerlei Möglichkeit, ihm zu folgen. Malones eigener Wagen stand weit weg. Er beobachtete, wie der Mann die Tür auf der Fahrerseite öffnete und etwas ins Wageninnere warf. Dann schloss er die Tür wieder, kehrte um und kam auf sie zu.
Gerade noch rechtzeitig, bevor der Schütze an ihnen vorbeikam, versteckten sie sich in einem Kleiderladen. Kurz darauf schlich Malone sich zur Tür und beobachtete, wie der Mann in die Richtung zurückging, aus der sie gekommen waren, und dann ein Café betrat.
»Was macht er?«, fragte Pam.
»Er wartet ab, bis die Aufregung sich gelegt hat. Nur nichts überstürzen. Einfach nur unauffällig dasitzen. Und irgendwann später gehen.«
»Da ist doch verrückt. Er hat jemanden ermordet.«
»Aber nur wir wissen das.«
»Warum hat er ihn überhaupt ermordet?«
»Um uns zu schocken. Und um ihn daran zu hindern, uns Informationen zu geben. Es gibt massenhaft Gründe.«
»Das ist doch vollkommen krank.«
»Was meinst du, warum ich aus diesem Job ausgestiegen bin?« Er beschloss, die Wartezeit zu seinen Gunsten zu nutzen. »Hol doch bitte den Wagen und stell ihn dort ab.« Er zeigte in eine Gasse, an deren Ausgang ein Bahnhof am Meer lag. »Dort kannst du parken und auf mich warten. Wenn er aufbricht, muss er zwangsläufig in diese Richtung fahren. Einen anderen Weg aus der Altstadt gibt es nicht.«
Er übergab ihr die Autoschlüssel, und einen Moment lang überkam ihn die Erinnerung an die vielen anderen Gelegenheiten, bei denen er ihr den Wagenschlüssel gegeben hatte. Er dachte an früher. Das Wissen, dass sie und Gary ihn nach einem Auftrag zu Hause erwarteten, war immer irgendwie tröstlich gewesen. Und auch wenn keiner von ihnen das im Moment zugeben wollte, waren sie doch einmal gut füreinander gewesen. Er erinnerte sich an ihr Lächeln und ihre Berührungen. Doch leider waren auch die schönen Erinnerungen überschattet, seit er wusste, dass sie ihn bei Garys Zeugung betrogen hatte. Er war verunsichert, und er fragte sich, ob die Gemeinsamkeiten in ihrem Leben nur in seiner Einbildung existiert hatten.
Sie schien zu spüren, was er dachte, und ihr Blick wurde weicher, so wie es damals bei der alten Pam gewesen war, bevor all das, was zwischen ihnen vorgefallen war, sie beide verändert hatte. Darum sagte er: »Ich werde Gary finden, das schwöre ich dir. Ich werde ihn heil da rausholen.«
Er hätte sich gewünscht, dass sie etwas erwiderte. Doch sie schwieg.
Ihr Schweigen tat ihm weh.
Also ging er.
12
Oxfordshire, England
10.30 Uhr
George Haddad betrat das Hauptgebäude von Bainbridge Hall. Seit er vor drei Jahren zu der Überzeugung gelangt war, dass die Antwort auf seine Fragen zwischen diesen Wänden zu finden war, war er hier ein häufiger Besucher.
Mit seinen Marmorfliesen, den Mortlake-Wandteppichen und dem farbenfrohen Dekor war das Haus ein Meisterwerk der Einrichtungskunst. Die große Treppe im Erdgeschoss mit ihren wunderschönen, in Holz geschnitzten Blumenornamenten stammte noch aus der Zeit König Karls II. Die Stuckdecke ging ins Jahr 1660 zurück, die Möbel und Gemälde stammten aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert. Es handelte sich ausschließlich um Schaustücke des ländlichen Englischen Stils.
Aber dieses Haus hatte noch mehr zu bieten: Es war ein Rätsel.
Genau wie das weiße Monument im Garten, wo die Pressemitarbeiter noch immer den Erklärungen der sogenannten Experten lauschten. Und auch Thomas Bainbridge war ein Rätsel, dieser unbekannte englische Earl, der in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts gelebt hatte.
Haddad kannte seine Familiengeschichte.
Bainbridge war in eine Welt der Privilegien hineingeboren worden, und in ihn waren hohe Erwartungen gesetzt worden. Sein Vater hatte in Oxfordshire als Friedensrichter gewirkt. Doch obwohl Thomas Bainbridges Laufbahn durch Generationen alten Wohlstands und familiärer
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