Patricia - Der Kuss des Vampirs
entzünden hätte können, sondern suchte in panischem Schrecken ihren Weg durch die Dunkelheit. Sie rannte gegen undefinierbare Gegenstände, die in ihrer aufgepeitschten Fantasie zu herumliegenden Skeletten wurden, schlug sich den Kopf an, stolperte, hetzte weiter, immer in die Richtung, in der sie den Aufgang vermutete.
Als sie endlich gegen eine Wand stieß, wusste sie, dass sie sich verlaufen hatte. Es kostete sie fast übermenschliche Kraft, ruhig stehen zu bleiben und sich zu fassen. Sie musste kühlen Kopf bewahren, mit Panik alleine konnte sie hier nicht herausfinden. Der Luftzug wurde stärker und kälter und sie verkrampfte ihre eiskalten Finger ineinander. Es war aber nicht alleine dieser Lufthauch, die Särge in ihrem Rücken und die Finsternis, die ihr Angstschauer über den Rücken jagten, sondern die plötzliche Gewissheit, dass sie nicht alleine war. Irgendetwas anderes, Gefährliches und Furchterregendes war außer ihr noch da.
Irgendetwas oder irgendjemand.
Pat versuchte durchzuatmen, drehte sich um, wollte sich weiter vortasten, als…
»Was haben Sie hier unten verloren?«
Die Stimme, kaum einen Schritt hinter ihr, war noch nicht verklungen, als Pat auch schon einen markerschütternden, ausdauernden Schrei ausstieß, dann einen Sprung nach vorn machte, über irgendetwas stolperte und der Länge nach hinfiel. Sie rollte sich mit einer Behändigkeit, die sie selbst erstaunte, auf den Rücken, setzte sich auf und starrte mit weitaufgerissenen Augen ins undurchdringliche Dunkel hinein.
Fast eine Minute lang war es vollkommen still und Pat, die vor Angst kaum denken konnte, lauschte mit angehaltenem Atem. Weit über ihr schien etwas zu leuchten, zwei phosphoreszierende Flecken, hellblauen Wolfsaugen gleich, die näher kamen. Dann griff eine Hand nach ihr.
Pat versuchte, sich hastig wieder aufzurappeln, weg von der Gestalt, die wie aus dem Nichts hinter ihr aufgetaucht war. Sie öffnete den Mund um einen weiteren Schrei auszustoßen, als sich eine kräftige Männerhand darüber legte. Ihr Schrei ging in einem undeutlichen, verzweifelten Gurgeln unter.
»Nein, nicht noch einmal«, hörte sie eine dunkle Stimme nahe an ihrem Ohr. »Nicht noch einmal! Oder wollen Sie, dass das ganze Schloss über uns einstürzt?«
Pat griff nach der Hand, versuchte sie wegzuzerren und zappelte wie verrückt um freizukommen.
»Ich lasse Sie nur los, wenn Sie mir versprechen, nicht wieder einen so infernalischen Schrei auszustoßen«, sagte die dunkle Stimme mit eiserner Entschlossenheit. »Sie wecken ja sämtliche Tote in der Gruft auf.«
Pat nickte schwach, jetzt ohnehin unfähig, auch nur einen Laut von sich zu geben. Die Hand zog sich zurück, dann waren da wieder diese beiden hellblauen, unheimlichen Augen und schließlich flammte eine Kerze auf und Pat konnte im Schein einen Mann erkennen, der knapp neben ihr stand. Sie blinzelte, den Reitstiefeln nach zu urteilen musste das der Mann sein, der zuvor in der Bibliothek gewesen war.
»So, und jetzt sagen Sie mir, was Sie hier unten zu suchen haben.«
Pat musste sich einige Male räuspern. »Ich... ich habe die Geheimtür gesehen…« Sie verschwieg wohlweislich, dass sie sich versteckt und ihn dabei beobachtet hatte, wie er hier hinuntergegangen war. »Und da...«
»Sie sind nicht nur stimmgewaltig, sondern auch noch dazu neugierig«, vermerkte der Fremde missbilligend.
»Nun ja...«, Pat raffte sich mit erstarkendem Mut, wenn auch zittrigen Knien, auf und putzte sich Spinnweben und Staub von ihrem Kleid. So sah der geheimnisvolle Fremde also von vorne aus. Nun, er machte zumindest nicht den Eindruck eines Meuchelmörders oder Ungeheuers. Die zitternde Kerzenflamme warf scharfe Schatten auf sein Gesicht, das vermutlich gar nicht so furchterregend gewesen wäre, fand Pat, wenn er sich zu einem freundlichen Lächeln hätte durchringen können. »Ein bisschen neugierig vielleicht, aber das ist in diesem Schloss ja auch kein Wunder.«
»Tatsächlich?« Die Stimme war kalt und der Blick durchdringend. Pat fand, dass sie noch nie zuvor einen Menschen getroffen hatte, der so schauen konnte. Und dessen Augen so unheimlich glänzten. Zu ihrer Erleichterung hörte sie Schritte und es wurde schnell heller. Es war Simmons, der mit einem großen Kerzenleuchter in der Hand herankam. Der Schein breitete sich beruhigend über die Wände aus und beleuchtete nicht nur Simmons‹ wie übliche ausdrucklose Miene, sondern auch den Fremden genauer.
Pat versteinerte im selben
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