Patricia - Der Kuss des Vampirs
und… unwiderstehlich. Und sie spiegelten sich nicht. Pat seufzte. Lediglich drei dieser Prädikate schienen auf Churtham zuzutreffen. Es stand völlig außer Zweifel, dass er sich nicht spiegelte, ebenso, dass er blendend aussah. Und wie unwiderstehlich er war, hatte sie schon lange am eigenen Leib erfahren. Aber die anderen Eigenschaften…? Pat zuckte mit den Schultern. Was wusste sie schon, womit der geheimnisvolle Schlossherr seine Nächte verbrachte? Auch wenn sie jetzt allen Grund zur Annahme hatte, dass er ›auswärts speiste‹, so hatte sie doch keinen Beweis dafür.
Sie las weiter und sah mit Schaudern die Abbildung eines phantasievollen Malers, der lebensecht darstellte, wie einem mit zentimeterlangen Reißzähnen ausgestatteten Vampir und seinem Opfer das Grab als schauriger Ort der Liebesvereinigung diente. Sie starrte minutenlang auf das Bild, versuchte sich Churtham vorzustellen, wie er junge Frauen in die Gruft unter das Schloss zerrte, sie dort leidenschaftlich liebte und sie dann endlich biss und aussaugte. Zweifellos war dies auch der Ort, wo er sich tagsüber, wenn nichts von ihm zu sehen war, zur Ruhe begab. Kein Wunder, dass er so ungehalten gewesen war, als sie dort eingedrungen war. Vermutlich hätte sie nicht anders reagiert, wenn jemand ungeladen in ihrem Schlafzimmer erschienen wäre.
Das war aber noch nicht alles. Dieses aufschlussreiche Buch bot noch viele gute Anregungen für die Verteidigung gegen Vampire. Ein äußerst wirksames Mittel, um einen Vampir ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, war angeblich eine Kombination aus einem geweihten Pfahl aus Eschenholz und dem Abschlagen des Kopfes. Pat verzog das Gesicht. Allein der Gedanke, Churtham den Kopf abzuschlagen und ihm dann auch noch einen Pfahl ins Herz zu rammen, drehte ihr den Magen um, und der Ratschlag, Feuer auf seinen Sarg zu legen, war nicht viel besser. Da waren Weihwasser, Hostien und Knoblauch schon viel mehr nach ihrem Geschmack. Abschreckungsmaßnahmen eben, sie wollte ihn ja schließlich nicht gleich umbringen. Nein, umbringen auf gar keinen Fall. Allein die Vorstellung, Churtham könnte sterben, tat ihr so weh, dass es völlig klar war, dass sie ihn sogar ein bisschen mehr als nur mochte . Sie seufzte niedergeschlagen. So etwas konnte auch nur ihr passieren. Da hatte sie immerhin fast sechsundzwanzig Jahre gelebt, ohne Gefühle in der Heftigkeit wie dieses kennenzulernen und dann verlor sie ihr Herz ausgerechnet an einen Vampir.
Offenbar waren Vampire jedoch nicht die einzigen unheimlichen Lebewesen, die den Menschen ins Verderben ziehen, ihn aussaugen oder ihm sonst wie schaden wollten. Auch über Dämonen stand etwas in den Büchern. Um ehemalige Lichtwesen sollte es sich dabei handeln, die in den Bann des Bösen geraten und zum Leben in Dunkelheit verurteilt worden waren. Düster wie ein Schatten sollte ein Dämon sein. Es gab kein Licht in seinem Körper und in seinem Leben und in der Nacht streifte er in entlegenen Gegenden umher, an unbewohnten Orten. Dämonen hatten menschliche Eigenschaften, einen menschlichen Körper bei Tag, nur in der Nacht verfügten sie über unheimliche Fähigkeiten und Kräfte, konnten wie ein Schatten das Land durchziehen, in einem Moment hier, im anderen schon meilenweit entfernt. Sie besaßen körperliche Unsterblichkeit und wie menschliche Wesen Leidenschaften, allerdings solche finsterster Natur. Wenn jedoch das Licht des Tages sie erfasste, mussten sie verbrennen, wie alles Dunkle dem Licht weichen musste. Minutenlang kam Pat vom Thema ab und dachte statt über Vampire über diese Engel der Dunkelheit nach, die sich vom Bösen hatten anziehen lassen und dann verdammt waren, in einem menschlichen Körper zu leben, abseits von Licht und Wärme. Sie erinnerte sich an das Wandgemälde in der Dorfkirche. Der Engel des Lichts und der Engel der Finsternis…
Schließlich klappte sie die Bücher zu und bedachte gründlich ihre Möglichkeiten. Sie hatte leider kein Weihwasser und keine Hostien zur Hand, ebenso wenig wie einen schwarzen Hund zur Verfügung, dem sie mit weißer Farbe zwei zusätzliche Augen aufmalen konnte – in zwei der Schriften als unfehlbares Mittel gegen Vampire empfohlen – aber sie war immerhin in der Lage, größte Genugtuung aus dem Besitz ihrer Knoblauchkette zu ziehen. Ein wahres Kleinod von unschätzbarem Wert! Sie stand auf, griff in die Lade wo sie sie aufbewahrt hatte und legte sie sich vorbeugend um den Hals.
Das Beste war aber wohl abzureisen
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