Patricia - Der Kuss des Vampirs
und Churtham einfach seinem Schicksal zu überlassen. Schließlich war sie nicht mit Mühe einem unliebsamen Verlobten entronnen, um jetzt einem Vampir in die Hände oder vielmehr in die Zähne zu fallen. Sobald es Tag war, würde sie sich auf den Weg zum Dorf machen und eine Kutsche nach Dunster mieten. Oder nach Minehead, von wo aus regelmäßig Handelsschiffe abfuhren. Je eher sie diese Gegend und dieses unheimliche Schloss verließ, desto besser. Sie hatte zwar immer noch keinen endgültigen Beweis, dass Maximilian Churtham ein Vampir war, aber es lag ihr auch herzlich wenig darin, einen dafür zu finden und vielleicht sogar als sein nächstes Opfer zu enden.
Energisch zog sie ihre Reisetasche hervor und stopfte ihre Sachen hinein. Sie war soeben fertig damit, als es klopfte.
Pat fuhr zusammen und griff unwillkürlich an die Knoblauchkette. »Ja?«
»Ich bin es, Kindchen, Mrs. Simmons.«
Pat atmete auf, als sie die Stimme erkannte. Sie ging zur Tür, schob den schweren Riegel zurück und öffnete. Die Frau des Butlers mochte sie und würde sie gewiss nicht anspringen, um sie auf der Stelle auszusaugen.
Mrs. Simmons schlüpfte herein und schloss hinter sich wieder ab. Sie hatte ein Päckchen in der Hand. »Hier ist eine Kleinigkeit zum Essen, meine Liebe. Ich helfe Ihnen packen, Sie müssen heute noch fort.«
Pat beschloss, sich über nichts mehr zu wundern, und zeigte wortlos auf die bereits gepackte Tasche. Mrs. Simmons nickte zufrieden. »Sehr gut. Sehr vernünftig.« Sie lächelte zaghaft. »Wissen Sie, Kindchen, seine Lordschaft ist nicht von Grund auf böse, nein, das kann man nicht sagen. Es ist nur…«, sie zögerte, suchte nach den richtigen Worten, »es steckt da etwas in ihm, das man nicht immer abschätzen kann… etwas … Dämonisches… Sie verstehen?« Also auch Mrs. Simmons! Auch sie glaubte daran, dass Churtham ein Vampir war!
»Nur zu gut«, erwiderte Pat trocken. »Deshalb will ich auch fort.«
»Jetzt ist eine gute Gelegenheit.«
»Jetzt?« Pat hatte keine Lust, in Nacht und Dunkelheit durch den Wald zu laufen, und vielleicht noch weiteren Verrückten zu begegnen, aber Mrs. Simmons hatte schon nach ihrer Tasche gegriffen.
»Ja, jetzt. Unbedingt. Morgen kann es schon zu spät sein. Lord Churtham hat vor einer Stunde das Haus verlassen, das ist die beste Zeit für Sie, ebenfalls zu gehen.« Sie öffnete die Tür wieder, lugte hinaus, dann bedeutete sie Pat, ihr leise zu folgen. Sie schlichen auf Zehenspitzen den Gang entlang, wobei der flackernde Schein der Kerzen ihre Schatten gespenstisch an die Wände warf, hasteten die Treppe hinunter und erreichten auf Zehenspitzen die schwere, mit Schmiedeeisen verstärkte Haustür. Pat sah zurück und dachte daran, wie sehr sie dieses alte Schloss anfangs eingeschüchtert hatte, wenn in der Nacht die alten Balken krachten und ächzten oder wenn der Wind durch die Spalten in den Fenstern und über die Gänge und alten Treppen heulte. Aber inzwischen hatte sie sich schon daran gewöhnt und sie hatte beinahe das Gefühl, ihr Heim verlassen zu müssen.
Mrs. Simmons legte den Finger auf die Lippen. »Mein Mann weiß nichts davon, Kindchen. Andernfalls hätte er mir ohnehin verboten, das zu tun, weil er Angst vor den Folgen hat.«
Pat wurde blass. »Das würde ich aber niemals wollen, Mrs. Simmons…«
Die ältere Frau winkte ab. »Ach was, seine Lordschaft würde mir niemals etwas tun, das weiß ich so sicher, wie morgen die Sonne wieder aufgeht. Vielleicht tobt er ein bisschen, aber dann wird er sich beruhigen.« Sie drückte die schwere Klinke hinunter und zog an, bis die Tür ein Spalt offen war, gerade breit genug um Pat hindurchzulassen. »Leben Sie wohl, Kindchen. Verstecken Sie sich, sobald Sie im Dorf sind, in der Kirche, die betritt er gewiss nicht. Und morgen früh sehen Sie zu, dass Sie einen Wagen nach Dunster bekommen. Übernachten Sie immer in Kirchen – hören Sie? Das ist ganz wichtig! Nur in Kirchen übernachten und ja nur bei Tag reisen!« Sie zog Pats Kopf zu sich hinunter und küsste sie herzhaft auf beide Wangen. »Er wird sich bald beruhigen. Wenn Sie einige Tage durchhalten, wird er Sie gewiss nicht länger verfolgen. Gehen Sie mit Gott, mein Kind, und leben Sie wohl.«
Pat schlich hinaus und hinter ihr schloss sich das Tor lautlos. Langsam schien es ihr Schicksal zu sein, bei Nacht und Nebel flüchten zu müssen. Es irritierte sie, dass Mrs. Simmons offenbar annahm, seine Lordschaft lege so großen Wert auf ihre
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