Patrimonium
Vater. Ohne gleich ins Detail gehen zu wollen, habe ich doch Grund zu der Annahme … dass Sie es sein könnten.«
Anayabi gehörte zu den wenigen Individuen, die stets auf alles vorbereitet zu sein schienen – doch mit dieser Antwort hatte er ganz offensichtlich nicht gerechnet. Sein Gesichtsausdruck spiegelte seine Überraschung und Verwirrung wider, ebenso deutlich wie seine Emotionen. Nach einer langen, ungläubigen Pause gelang es ihm endlich, wieder etwas zu sagen.
»Du hast wohl zu lange in der Kälte gelegen. Dann wollen wir mal hoffen, dass der Schaden nicht dauerhaft ist.«
»Wenn das der Fall ist«, erwiderte Flinx langsam, »dann finden Sie vielleicht einen Weg, mich in Ordnung zu bringen. Mich zu verbessern .«
Noch immer weigerte sich der andere Mann, anzubeißen. Oder der Köder, den er ausgeworfen hatte, besaß für seinen Gastgeber keinen Reiz, überlegte Flinx. Da er, um hierherzugelangen, Zeit, Geld und erschreckend viele Freunde geopfert hatte, war er jedoch nicht bereit, so schnell aufzugeben.
»Mein richtiger Name ist Philip Lynx. Ich bin ein unverändertes, überlebendes, keiner Gedankenauslöschung unterzogenes Experiment der verbotenen, ausgestoßenen Eugeniker-Verbindung, die sich selbst die Meliorare-Society nannte. Einer von zumindest zwei bekannten Überlebenden, die mit der Society zu tun hatten. Meine Mutter war eine terranische Lynx namens Ruud Anasage. Mein Vater – mein Vater ist mir nur als Samenspender bekannt. Ich suche ihn schon seit langer Zeit und versuche, hinter seine Identität zu kommen. Und meine Nachforschungen lassen mich vermuten, dass Sie mein Vater sein könnten – ebenso wie das Geständnis eines gewissen Bürgers namens Shyvil Theodakris auf Visaria, kurz bevor er starb. Dessen wahrer Name, dessen Meliorare-Name, Theon al-bar Cocarol lautete.«
Anayabis Gesichtsausdruck schien sich nicht zu verändern. Verbal antwortete er direkt mit: »Das alles sagt mir nichts.«
Doch emotional krümmte er sich. Dieser Aufruhr widersprüchlicher Gefühle war der mächtigste, den Flinx jemals erlebt hatte. Da er keine Lust auf Täuschungsmanöver verspürte, sagte er seinem Gegenüber einfach direkt, was er dachte.
»Sie lügen.« Pip war auf seinen Schoß gerutscht, um jetzt hellwach und alarmiert ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Mann mit der Pistole zu konzentrieren.
Anayabi stieß ein kurzes, angewidertes Schnauben aus. »Ich rette dir das Leben, und zehn Minuten, nachdem du das Bewusstsein wiedererlangt hast, nennst du mich schon einen Lügner.« Dann sah er übermäßig dramatisch auf seinen Chronometer. »Je eher der Transporter herkommt und dich abholt, desto besser. Und du kannst dir sicher sein, dass ich es mir beim nächsten Mal gründlich überlege, ob ich einen hier herumirrenden Idioten einsammle.«
Nachdem er jetzt seine ganze Geschichte, wenn auch in Kurzform, erzählt hatte, sah Flinx keinen Grund mehr, warum er sich zurückhalten sollte. Er hatte sein ganzes Leben auf diese Konfrontation ausgerichtet und auf sie hingearbeitet.
»Ich weiß, dass Sie lügen, weil ich Ihre Emotionen empfangen kann. Das ist mein Talent. Das Talent von Experiment 12-A. Ich bin ein Adept.«
Ein Augenblick verging, in dem sehr vieles gesagt wurde, ohne dass einer der Anwesenden den Mund aufmachen musste. Danach brach Anayabi nicht zusammen, sondern beruhigte sich merklich. Als sich seine Lippen endlich wieder öffneten, klang die Stimme anders als zuvor. Sie war immer noch fest und resolut, aber gleichzeitig auch irgendwie unterdrückt. Dasselbe galt auch für seine Emotionen. Stimme, Gefühle und Haltung ließen Flinx an einen Preisboxer denken, der zu viele Schläge hatte einstecken müssen, im Ring kaum noch aufrecht stehen konnte und dem nichts weiter übrig blieb, als zu warten, bis ihn der letzte Treffer niederstreckte.
»Theon Cocarol.« Anayabi schüttelte langsam den Kopf. »An den habe ich lange nicht mehr gedacht – seit Jahren, sehr vielen Jahren nicht mehr.« Nachdem er erst ins Leere gestarrt hatte, sah er nun auf und blickte seinen Gast an, als würde er ihn auf einmal in einem völlig neuen Licht sehen. »Er ist tot, sagst du?«
Flinx nickte. Es hatte weder Vor- noch Nachteile für ihn, auf die genaueren Umstände des Ablebens des Meliorares einzugehen. »Er sagte, dass er wisse, wer mein Vater ist. Gestalt, hat er gemeint. Das waren alle Informationen bezüglich dieser Angelegenheit, die ich aus ihm herausbekommen konnte, bevor er starb. Also
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