Patterson James
war Nudge überrascht, dass Fang noch bei ihr war.
Fang hatte mehrere Male gedroht, sie zu verlassen. Aber als er
sah, dass sie nicht nachgab, zog er sich in wütendes Schweigen
zurück.
Jetzt waren sie am Rand einer Wohnwagensiedlung. Nudge
hatte sich an eine Adresse erinnert, und Tipisco war so klein,
dass es nicht schwierig war, sie zu finden. Sie wusste nicht, was
sie erwartet hatte, aber irgendwie nicht das hier.
Die Wohnwagen standen in sich windenden Reihen, die
meisten hatten ein verblasstes Holzschild mit Namen wie
Roadrunner Lane oder Seguro Street davor.
»Komm«, sagte Fang leise. »Ich sehe Chaparral Court.«
Sie schlichen durch ein Gewirr von Würgkirschenbüschen,
verkrüppeltem Wacholder, entsorgten Haushaltsgeräten und
Autowracks. Nirgends ein hübscher weißer Gartenzaun.
Nudge entdeckte mit ihren scharfen Augen schnell die
Adresse. 4625 stand auf dem letzten Wohnwagen in der Reihe.
Sie schluckte. Ihre Eltern könnten direkt dort sein. Sie schob
Sprühdosen mit Farbe beiseite. Dann hockte sie sich mit Fang
hinter ein Autowrack voller Graffiti.
»Was ist, wenn sie weggezogen sind?«, fragte Fang zum
neunten Mal. »Was ist, wenn du dich verlesen hast oder dich
nicht mehr richtig erinnerst und diese Leute überhaupt nicht mit
dir verwandt sind?« Und grauenvoll freundlich fügte er hinzu:
»Nudge, selbst wenn du kein Retortenbaby bist – was du aber
wahrscheinlich bist –, welchen Grund haben sie gehabt, dich
wegzugeben? Vielleicht wollen sie dich nicht zurück.«
»Meinst du, daran habe ich nicht schon selbst gedacht?«,
fauchte sie wütend zurück, was so gar nicht ihrer Natur
entsprach. »Das weiß ich! Aber ich muss es versuchen. Ich
meine, wenn es auch nur die geringste Chance gibt – würdest du
es dann nicht auch versuchen?«
»Weiß nicht«, sagte Fang nach einer Pause.
»Weil du nichts und niemanden brauchst«, sagte Nudge und
schaute wieder zum Wohnwagen. »Aber ich bin nicht so. Ich
brauche Menschen.«
Fang schwieg.
Zwischen dem Autowrack und den niedrigen Blauhäherbüschen waren sie ziemlich gut versteckt. Nudge war so nervös,
dass sie am ganzen Leib zitterte.
Fang neben ihr war ebenfalls angespannt. Dann hörte Nudge,
wie sich eine Tür öffnete. Sie hielt den Atem an, als eine Frau
aus dem Wohnwagen herauskam. Schnell schaute Nudge auf
ihren eigenen Arm, ob die Hautfarbe passte. Das war nicht leicht
zu entscheiden. Die Frau kam in den Hof vor dem Wohnwagen,
der mit braunen Fichtennadeln bedeckt war, und setzte sich in
einen klapprigen, billigen Gartenstuhl in den Schatten.
Ihre Haare waren nass und auf Lockenwicklern. Um die
Schultern hatte sie ein Handtuch gewickelt. Sie lehnte sich
zurück, zündete sich eine Zigarette an und riss den Verschluss
von einer Dose.
»Cola. Das Zeug ist offenbar nicht nur zum Frühstück«,
flüsterte Fang. Nudge stieß ihn mit dem Ellbogen.
Hmm. Nudge setzte sich auf die Fersen. Es war irre. Ein Teil
von ihr hoffte, dass es nicht ihre Mom sein möge. Schöner wäre
es gewesen, wenn die Frau einen Teller mit Keksen zum Kühlen
hinausgestellt oder sich irgendwie im Garten beschäftigt hätte.
Irgendwas mehr mütterlich. Aber ein anderer Teil von ihr sehnte
sich danach, dass es ihre Mom sein möge, weil – offen gesagt – irgendjemand war besser als niemand.
Nudge musste nur aufstehen, hinübergehen und fragen: »Äh,
haben Sie vielleicht eine Tochter verloren, die Monique hieß,
vor zehn oder elf Jahren oder so?« Jawohl, mehr musste sie
nicht sagen. Und dann würde die Frau sagen – »Sucht ihr nach
etwas, Missgeburten? Schätze, ihr habt’s gefunden.«
Es gab keinen Zweifel, dass das wunderschöne melodische
Eraserlachen direkt hinter ihnen war.
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N
udge knickten die Beine weg. Es waren drei, und sie
begannen bereits, sich zu verwandeln. Anfangs glichen sie
Modellathleten, aber dann verlängerte sich die Mundpartie zu
spitzen Schnauzen, Fänge wuchsen aus blutroten Gaumen,
scharfe Klauen verlängerten die Fingerspitzen.
»Ari«, sagte Fang ganz ruhig.
Nudge runzelte die Stirn und schaute den Anführer an. Dann
wurden ihre Augen groß. »Ari!«, sagte sie. »Du warst doch erst
ein kleines Kind.«
Er lächelte und streckte die Hände mit den langen Klauen aus.
»Und jetzt bin ich ein großer, erwachsener Eraser«, sagte er.
Spielerisch klapperte er mit den spitzen, scharfen Zähnen. »Und
du bist ein kleines braunes Schweinchen. Schmatz.«
»Was haben sie nur mit dir gemacht?«, fragte
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