Patterson James
auffangen konnte, machte ihn für sie merkwürdig, ja
beinahe tot.
Jeb lächelte mitleidig und tätschelte Angels Knie. »Ist schon
okay, Angel. Iss ruhig. Du musst was essen. Ich möchte, dass du
dich besser fühlst.«
Sie bemühte sich, nicht mit den Wimpern zu zucken, nicht zu
zeigen, wie aufgewühlt sie war.
Seufzend entrollte Jeb die Papierserviette, nahm eine Gabel
heraus und legte sie mitten in das Essen auf dem Teller. Jetzt
musste Angel nur noch zugreifen … war sie danach dem
Untergang geweiht?
»Ich weiß, dass das alles furchtbar verwirrend ist, Angel«,
sagte Jeb freundlich. »Ich kann dir im Augenblick nicht alles
erklären. Aber bald wirst du es verstehen.«
»Klaaar.« Angel legte ihre gesamte Qual und ihre Schmerzen
über den Verrat in dieses eine Wort.
»Schau, Angel«, fuhr Jeb ernst fort. »Das Leben als solches ist
ein Test. Alles ist ein Test. Manchmal musst du es einfach
durchstehen. Später ergibt dann alles mehr Sinn. Du wirst schon
sehen. So, und jetzt – iss! Ich verspreche es dir, das Essen ist
okay. Ich verspreche es. «
Ha, sie glaubte ihm keine Versprechen mehr.
»Ich hasse dich«, erklärte sie.
Jeb schaute nicht überrascht drein. Höchstens vielleicht ein
bisschen traurig. »Das ist auch okay, Schätzchen. Das ist völlig
okay.«
I
ch. Bin. Im. Himmel«, sagte ich und atmete tief ein.
Dr. Martinez lachte. »Durch Draufstarren werden Kekse
auch nicht braun«, neckte sie mich.
Um meinen Tag noch perfekt zu machen, hatten wir drei nach
dem Essen tatsächlich Plätzchen mit Schokoladentropfen
gemacht – und alles selbstgemacht, nicht aus der Tüte.
Ich hatte so viel Teig genascht, dass mir schlecht wurde.
Danach konnte ich mich an dem Duft der im Ofen backenden
Plätzchen nicht satt riechen. Ich sah durch das Fenster in der
Ofentür, wie die Schokoladentropfen schmolzen.
Anmerkung an mich: Zeig Angel und Nudge, wie man
Schokoladentropfenplätzchen backt.
Falls ich Angel je wiedersehen würde.
Ellas Mom holte das erste Backblech mit Plätzchen aus dem
Ofen und schob das zweite hinein. Ich konnte nicht warten, bis
die Plätzchen abgekühlt waren. Ich nahm eins, biss hinein und
verbrannte mir fast die Zunge.
Unzusammenhängende Laute der Lust entkamen meinen
Lippen, als ich langsam aß und jeden Bissen genoss. Ella und
ihre Mom beobachteten mich. Auf ihren Gesichtern leuchtete
dasselbe Lächeln.
»Man könnte meinen, du hättest noch nie selbstgebackene
Plätzchen gegessen«, meinte Ella.
»Hab ich auch nicht«, murmelte ich und schluckte. In meinem
ganzen Leben hatte ich noch nie etwas so Gutes gegessen. Es
schmeckte wie zu Hause.
»Na, dann nimm dir noch eins«, sagte Dr. Martinez.
»Ich muss morgen weg«, sagte ich abends zu Ella, als wir uns
fürs Bett fertig machten.
»Nein!«, protestierte sie unglücklich. »Ich finde es super,
wenn du hier bist. Du bist wie eine Kusine – oder meine
Schwester.«
Komisch, aber wegen solcher Worte fühlt man sich noch
elender als zuvor. »Menschen verlassen sich auf mich – es ist
echt wichtig.«
»Kommst du uns wieder mal besuchen?«, fragte sie.
»Irgendwann?«
Ich schaute sie hilflos an. Es war das erste Mal, dass ich mit
Menschen außerhalb des Schwarms in Kontakt gekommen war
– abgesehen von Jeb.
Es war total cool gewesen. Einfach super.
Und ihre Mom – die war einfach so unglaublich! In manchen
Dingen war sie strikt – lass deine Socken nicht rumliegen! –,
aber in anderen nicht. Zum Beispiel hatte sie wegen meiner
Schusswunde nicht die Bullen gerufen. Im Gegensatz zu
anderen Eltern, die ich allerdings nur vom Hörensagen kannte,
bedrängte sie einen nicht wegen Details, sie hielt keine Vorträge
und glaubte, was ich sagte. Sie nahm mich einfach so, wie ich
war. So wie sie Ella hinnahm, wie sie nun einmal war.
Das reichte, um mich in einen seelischen Konflikt zu stürzen –
hätte ich mir erlaubt, länger darüber nachzudenken.
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete ich. Es tat mir weh, als
Ella mich verletzt anschaute. »Ich glaube nicht, dass ich es
schaffen werde. Wenn ich könnte, würde ich …«
Ich wandte mich ab und putzte mir die Zähne. Jeb hatte immer
gesagt, man müsse mit dem Verstand denken, nicht mit den
Gefühlen. Er hatte Recht – wie üblich. Deshalb stopfte ich
meine Gefühle in eine Schachtel und verschloss sie.
N
udge konnte es immer noch nicht akzeptieren, dass Max
und die anderen tot waren. Es war einfach unmöglich. Sie
konnte sich nicht damit abfinden.
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