Patterson James
wohlbekannten, hoch geachteten
Klinik nach Boulder gefahren, die auf künstliche Befruchtung
spezialisiert war. Es hatte eine Reihe von Fehlschlägen gegeben,
doch schließlich war Anthea Taranto schwanger geworden.
»Im achten Monat bin ich zu einer Routineuntersuchung
gefahren«, erzählte sie dem gespannt lauschenden Publikum.
»Ich erinnere mich noch, wie glücklich Mike und ich an jenem
Tag gewesen sind. Dr. Brownhill sagte uns, es wäre alles reine
Routine, doch als er mich untersuchte, wurde er plötzlich sehr
besorgt. Er erklärte mir, der Fötus habe Probleme und er müsse
unverzüglich die Geburt einleiten. Es wurde auf der Stelle ein
Kaiserschnitt durchgeführt. Als ich wieder zu mir kam, sagte
man mir, mein Baby wäre gestorben. Können Sie sich
vorstellen, wie ich mich an diesem Tag gefühlt habe?«
Unbewusst fuhr sich Mrs Taranto über den Unterleib. Sie
schien ganz in ihren Erinnerungen versunken, und es dauerte
eine Weile, bevor sie mit ihrem Bericht fortfuhr.
»Als ich herausfand, dass mein Sohn am Leben war und nicht
tot, änderte sich für mich alles. Ozymandias ist die wichtigste
Person in meinem Leben. Er ist mein Grund zu leben, und ich
würde alles für ihn tun. Gib mir doch nur eine Chance, Oz.
Bitte, lass mich deine Mutter sein, mein Engel.«
Dann sah Anthea Taranto Kit und mich an. Ihre nächsten
Worte waren an uns gerichtet, und sie raubten mir den Atem.
»Es ist mir egal, ob diese Kinder anders sind oder ob es eine
Herausforderung ist, sie aufzuziehen. Sie sind unsere Kinder.
Niemandem sollte erlaubt werden, sie uns wieder
wegzunehmen! Bitte, nehmen Sie mir mein Baby nicht wieder
weg!«, rief sie. »Ich bin Ozymandias’ Mutter! Das muss doch
etwas gelten, selbst in dieser schönen neuen Welt, in der wir alle
leben!«
Lange Zeit sprach niemand ein Wort. Alle Augen waren auf
Anthea gerichtet. Schließlich sagte Catherine Fitzgibbons: »Ich
habe keine weiteren Fragen an die Zeugin. Vielen Dank, Mrs
Taranto.«, Jeffrey hatte nur wenige Fragen an die biologischen
Eltern, die an jenem Morgen einer nach dem anderen in den
Zeugenstand gerufen wurden. Sie kamen aus verschiedenen
sozialen Schichten, doch alle schienen nette Menschen zu sein.
Das Problem war: Konnten diese sieben Menschen so besondere
Kinder aufziehen? Konnten sie ihnen die Sicherheit gewähren,
die sie benötigten?
Ich bezweifelte es ernsthaft. Ganz besonders die Frage der
Sicherheit.
Jeffrey fragte den Vater von Max, ob er seine fünfzehn
Minuten Ruhm übermäßig genoss. Er brachte die Chens dazu,
einzuräumen, dass große Werbefirmen mit ihnen in Verbindung
getreten waren, um Peter und Wendy für Produktkampagnen zu
gewinnen. Er brachte ans Licht, dass Ozymandias bereits einen
Agenten in Hollywood hatte. Doch selbst die kleinsten
Dolchstöße gegen die Eltern führten dazu, dass ich mich vor
Verlegenheit wand. Die Eltern anzugreifen konnte nur nach
hinten losgehen. Und es war einfach nicht fair.
Doch eine Sache in Bezug auf die Eltern machte mir zu
schaffen. Sie machte mir sogar sehr zu schaffen. Keiner von
ihnen sagte auch nur ein einziges Mal, dass er bereit war, alles
in seinen Kräften Stehende für sein Kind zu tun. Und keiner
ging auf das Problem ein, ihnen eine sichere Kindheit zu bieten.
Das Gericht zog sich zur Mittagspause zurück, die Kit und ich
ausfallen ließen. Wir gingen nach oben aufs Dach und hielten
uns an der Hand und waren ungewöhnlich still für unsere
Verhältnisse. Wir beteten für die Kinder und für ihre Eltern. Als
das Gericht wieder zusammentrat, geschah es mit einem
Donnerschlag.
Jeffrey Kussof erhob sich und wandte sich zu den Kindern.
»Ich rufe Max Marshall in den Zeugenstand.«
Als Max ihren Namen hörte, beschleunigte sich ihr Herzschlag
auf hundertzwanzig Schläge die Minute, die gleiche Frequenz,
die er beim Fliegen besaß.
Jetzt war sie an der Reihe. Sie hatte gesehen, was die Anwälte
mit den Zeugen machten, und sie wusste, dass man sie grillen
würde. So gut wie jede Minute ihres Lebens war streng geheim,
und man hatte sie sehr nachdrücklich gewarnt. Wenn du redest,
bist du tot.
Es war ganz einfach und kristallklar.
Sie musste die Wahrheit sagen, die ganze Wahrheit und nichts
als die Wahrheit, das verlangte dieses Gericht von ihr – aber
was, wenn sie die Wahrheit sagte?
Es würde alles viel schlimmer machen, als sie sich jetzt noch
vorstellen konnten. Max wusste, dass ihre Geheimnisse genau
das bleiben mussten, was sie
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