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Patterson James

Patterson James

Titel: Patterson James Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Ikarus-Gen
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waren. Sein Instrument war ein Bovie, ein Skalpell, das mit
Hitze arbeitete statt mit einer Klinge. Die Spitze brannte blau
und erzeugte ein zischendes Geräusch, als er den ersten, drei
Millimeter tiefen Einschnitt machte, lateral von einer Schulter
bis zur anderen. Die dünne Linie aus rotem Blut verfärbte sich
nahezu augenblicklich schwarz, und ein geisterhafter
Rauchschleier stieg von dem Schnitt auf. Die Luft war erfüllt
vom unverwechselbaren Gestank nach verbranntem Fleisch.
    Der nächste Schnitt bildete zusammen mit dem ersten ein T,
angefangen bei der Kehle bis hinunter zum Schambein, eine
Linie, die so scharf begrenzt war, dass es aussah, als wäre sie
mit einem Fineliner über die milchige Haut der jungen Frau
gezogen worden.
    Kanes dritter Schnitt ging tief in die subkutane Schicht, in das
dicke gelbliche Fettgewebe, das Charlottes üppige Frauengestalt
polsterte.
    Dann schob er die Hände in sie hinein. Arterien wurden mit
einer speziellen Moskitoklemme gehalten, die auf der einen
Seite abquetschte und gleichzeitig auf der anderen durchtrennte.
Sorgfältig durchtrennte Dr. Kane haltendes Gewebe und
jedwedes klebende Hindernis.
    Dann ertönte ein Summen an der Decke, wie von einer
anderen Welt. Eine mechanische Apparatur aus rostfreiem
Edelstahl, die aussah wie eine riesige Baggerschaufel, bewegte
sich an einer Schiene entlang. Die Scoop. Ein Medizintechniker
senkte die Schaufel von Hand tiefer und postierte sie über dem
Körper der Frau.
    Aus Charlottes Kopfhörer drang leise Musik, irgendetwas
Karibisches. Dr. Kane summte leise mit. Ihm war danach
zumute.
    »Also schön«, sagte er, nachdem er seine Arbeit begutachtet
hatte. »Ich bin durch. C’est fini. «
Der Anästhesiearzt warf einen Blick auf den Monitor über
Charlottes Kopf. Auf dem Schirm waren Bilder von Bord der SS Nautica zu sehen. »Wollen Sie der jungen Dame nicht noch ein
paar Minuten lassen, damit sie ihren Fick bekommt? Eine letzte
Nummer?«
»Sie sind vielleicht sentimental«, entgegnete Kane und
runzelte die Stirn. »Nein. Meine Zeit ist viel kostbarer als ihre.
Schalten Sie ab.«
Der Anästhesiearzt zuckte die Schultern, dann zog er den
Stecker aus Charlottes Kopfhörer. Die Musik brach ab.
»Danke sehr«, sagte Kane. »Ich hasse diesen Reggae-Scheiß
sowieso.«
Er legte einen Schalter um, und die Arterien wurden
durchtrennt. Augenblicklich floss das Blut durch transparente
Plastikschläuche aus dem Körper in einen großen Kanister aus
Edelstahl. Charlotte Donahues Organe verfärbten sich rapide
grau. Die neonfarbenen Linien auf den Monitoren begannen
verrückt zu spielen.
Dann brachen die Signale ab, und ein hoher Alarmton erklang.
»Okay so weit«, sagte Dr. Kane zu den anderen im Raum.
»Nehmen wir sie aus.«
Die offenen Kiefer der großen Baggerschaufel schlossen sich
um die inneren Organe Charlottes, und mit einem leisen
Summen hoben sie alles in einem Stück aus der Leibeshöhle.
Charlotte Donahue war so sauber ausgenommen worden wie
eine Auster im DC Coast im nahe gelegenen Washington, einem
von Dr. Kanes Lieblingsrestaurants. Vielleicht würde er an
diesem Abend sogar mit seiner Frau dorthin essen gehen.
COLORADO
    Ein anderer Tag, eine andere Schule, dachte Max bei sich. Hoffentlich ist es diesmal eine gute Schule. Nein, es ist eine
großartige Schule, und es ist ein großartiger Neuanfang!
    Das durchdringende Schrillen der Pausenglocke verkündete
das Ende der dritten Stunde. Max hatte einem Vortrag über die
schwindenden Populationen gefährdeter Spezies in Colorado
gelauscht: der Schwarzschwänzige Präriehund, der Blaue
Hopfenschmetterling, der Wanderfalke, der Fischadler. Es war
ihr elfter Tag in der Klasse, und sie bemühte sich angestrengt,
nicht allzu perfekt zu sein und Fehler zu machen. Klug, doch
nicht zu klug, lustig, doch nicht zu lustig, bescheiden, aber nicht
zu bescheiden.
    Sie packte ihren obercoolen Messenger Bag, der unter der
Schulbank lag, zog ihn hervor, stopfte ihre Lehrbücher hinein
und erhob sich, um dem wilden Gedränge zu folgen, das aus
dem Klassenzimmer strömte. Das Gedränge schloss einen Hund
mit ein. Ihr Lehrer hatte wie üblich seinen braunen Labrador
Retriever mit in den Unterricht gebracht. Ziemlich doof, aber
irgendwie auch wieder cool.
    Max kam nie bei der Tür an.
Ein Schrei von irgendwo außerhalb des Gebäudes ließ sie
erstarren. Sie wirbelte herum. Matthew! Matthew steckt in
Schwierigkeiten! Max war sicher, dass ihr Bruder

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