Patterson James
und
sprach mit einer gewissen Miss Analise Miller.
»Miss Miller wird Sie sofort abholen«, sagte er, als er den
Hörer wieder auf die Gabel gelegt hatte.
Miss Miller war eine dünne, spröde Person Ende zwanzig. Sie
hatte die dunklen Haare zu einem langen Pferdeschwanz nach
hinten gebunden, und sie trug einen graubraunen Hosenanzug,
der zugleich sehr schick und sehr geschäftsmäßig aussah. Ihr
Lächeln wirkte offen, auch wenn es meiner Meinung nach
aufgesetzt war, denn ihre hellgrünen Augen vermittelten eine
andere Botschaft.
Enthusiastisch streckte sie Kit die Hand entgegen. »Ich habe
noch nie einen richtigen Agenten vom FBI kennen gelernt!«,
sagte sie. Ich warf einen Seitenblick zu Kit. Ja, sicher. Als wäre
es ein ganz besonderes Vergnügen für sie.
Wir wurden zu einer zweiten Reihe von Aufzügen geführt. Ein
Lift hielt mit leisem Ping, und wir betraten eine geräumige
Kabine mit Türen zu beiden Seiten. Der Boden war mit
weichem Gummi ausgekleidet, die Wände bestanden aus
gebürstetem Metall.
Der Lift fiel wie ein Stein nach unten, und ich vermutete, dass
wir in ein Geschoss fuhren, das wenigstens zehn oder fünfzehn
Meter tiefer lag.
»Vierzehn Meter«, sagte Miss Analise, als hätte sie meine
Gedanken gelesen.
Die Lifttüren glitten zur Seite, und wir traten hinaus auf einen
blau-grau gestrichenen Korridor mit dem gleichen
Gummiboden, wo medizinisches Personal in blauen OP-Kitteln
und weißen Schwesternuniformen hin und her lief.
»Das ist der Forschungsbereich des Liberty. Das Hauer
Institute führt die Arbeiten des berühmten Teams um Clara und
Harold Hauer fort«, erklärte Miss Analise. »Die beiden wurden
bei einem tragischen Autounfall in der Nähe von Boston getötet,
wie Sie wahrscheinlich wissen werden.«
Ich hatte von den Hauers gehört. »Eine traurige Geschichte«,
sagte ich.
Vor einem Raum mit einer Glaswand blieben wir stehen. Die
restlichen Wände waren mit Metallregalen voll gestellt, die vom
Boden bis zur Decke reichten und Hunderte von
schuhkartongroßen Plastikkäfigen enthielten.
In den Käfigen huschten dunkle Schemen hin und her.
Labormäuse.
Meine Haare richteten sich erneut auf.
»Unsere sogenannten Fuzzy-Test-Röhren«, sagte die PublicRelations-Lady leichthin. »Wie Sie sich sicherlich denken
können, führen wir hier zahlreiche Tests an Tieren durch.«
Ihre Worte lösten eine Flut von schlechten Erinnerungen in
mir aus. Wirklich schlechten Erinnerungen.
In der »Schule«, jenem grauenvollen illegalen
Forschungslabor, wo Max und die übrigen Kinder den größten
Teil ihrer jungen Jahre verbracht hatten, hatte es einen ähnlichen
Raum gegeben. Es war ein »Mäuseraum« wie der, der nun vor
mir lag, und es hatte ein »Pflegezimmer« für schrecklich
deformierte Kinder gegeben, die man dort hatte sterben lassen.
Ich würde niemals meine erste Begegnung mit Peter,
Ozymandias, Icarus und Wendy vergessen – die Kinder hatten
in Käfigen in ihren eigenen Exkrementen gehockt.
Ich schüttelte den Kopf, um die bestürzenden Gedanken zu
verbannen. Das hier war nicht die »Schule«, rief ich mir ins
Gedächtnis. Der Präsident persönlich kam hierher, um sich
untersuchen zu lassen.
Unsere Begleiterin sah die Bilder in meinem Kopf nicht.
Vielleicht hatte Miss Analise ihre eigenen. Sie führte uns
jedenfalls rasch weiter und durch eine Reihe von Korridoren.
Wir sahen Räume voller Techniker vor Computermonitoren.
Wahrscheinlich fütterten sie DNA-Informationen in die
Datenbank des Zentralrechners oder etwas in der Art.
Wir fuhren mit dem Aufzug eine weitere Ebene in die Tiefe
und traten nach draußen. Hier reihte sich ein Labor an das
nächste, und alles war gefüllt mit ultramodernen, glänzenden
Apparaten. Schilder wiesen den Weg zu den OP-Sälen eins bis
sechs.
»Die Hauers waren Pioniere auf dem Gebiet der
Stammzellenforschung«, erklärte Miss Analise Miller. »Wie Sie
ohne Zweifel wissen werden, Dr. O’Neill, sind Stammzellen
sehr einfache Zellen ohne bereits festgeschriebene
Spezialisierung, die aus dem Knochenmark oder von Föten
gewonnen werden. Injiziert man diese Stammzellen in den
menschlichen Körper, so besitzen sie die Fähigkeit, sich in
spezialisierte Organzellen zu verwandeln, ganz gleich, welche
der Körper benötigt. Die Zelle scheint zu wissen, wo eine
Verletzung oder eine Beschädigung stattgefunden hat. Sie
wandert zu der entsprechenden Stelle und repariert sie.«
»Das ist unglaublich beeindruckend, wirklich«, sagte Kit ohne
eine Spur von Zynismus;
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