Patterson James
tatsächlich trug er sein gewinnendstes
Lächeln zur Schau. »Aber wenn Sie uns jetzt bitte zu Ihrem
Boss bringen würden?«
»Dr. Ethan Kane erwartet Sie gleich hinter der nächsten
Biegung«, antwortete Miss Analise. »Er operiert heute, wie
üblich. Der Mann gönnt sich keine Pause. Er scheint niemals
auszuruhen.«
Der Killer namens Marco Vincenti war nicht sonderlich
überrascht, als er einen Anruf aus Maryland erhielt mit dem
Befehl, unverzüglich dorthin zu kommen. Er hatte schon vorher
das Gefühl gehabt, dass diese Auftraggeber zögerten, zu viele
Außenseiter zu beschäftigen, selbst wenn sie verzweifelt einen
Spezialisten seines Kalibers benötigten.
Sie hatten vorher alles andere versucht, um die Kinder zu
fangen. Doch sie waren erfolglos gewesen.
Also war es nun an der Zeit für andere Optionen. Genau, wie
Marco es auf dem Dach der Baustelle in Denver prophezeit
hatte. Beim nächsten Mal bist du dran, Kleine.
Marco Vincentis Spezialität war ein Scharfschützengewehr.
Bevor er sich in diesem Geschäft selbstständig gemacht hatte,
war er bei der U. S. Army gewesen. Heutzutage gab es nicht so
viele Aufträge, doch die Bezahlung war dafür umso besser.
Marco Vincenti beschloss, mit dem Wagen von seinem Haus
in Hempstead, Long Island, nach Maryland zu fahren, wo diese
sechs Missgeburten von Kindern vermutlich herumlungerten.
Sein Auftrag lautete, eines der Kinder zu töten. Nur eines – das
ältere Mädchen, diese Max. Die anderen kamen möglicherweise
als Bonus dazu – und Marco plante, mit so viel Bonuszahlungen
wie nur irgend möglich nach Hause zurückzukehren.
Den ganzen Weg von New York nach Maryland spielte ein
Band Best of Mozart, ohne dass die Musik seine Nerven hätte
beruhigen müssen. Das hatte er nicht nötig – doch Marco
mochte die Musik und die Präzision der Kompositionen.
Sein Auftrag hatte einen Kodenamen, den nur Marco und sein
heimlicher Auftraggeber kannten:
Skeet.
Tontaubenschießen.
Die Wahl gefiel Marco ausnehmend gut.
Genau wie die Aussicht, auf Ziele zu feuern, die nicht
zurückschossen.
Endlich trafen Kit und ich mit Dr. Ethan Kane zusammen.
Analise Miller führte uns zu einem Mann, der sich an einem
Waschbecken vor einem der OP-Säle gründlich die Hände
wusch. Wir warteten schweigend, während er sich von einer
Krankenschwester ein Handtuch reichen und anschließend aus
dem OP-Kittel helfen ließ. Dann trat Analise zu ihm und
erinnerte ihn an den Termin, den das FBI mit ihm vereinbart
hatte. Er lächelte die Public-Relations-Lady an und entließ sie
mit einem Nicken.
Schließlich wandte er sich uns zu und stellte sich mit einem
kräftigen Druck seiner nach Seife riechenden Hände und festem
Blick in die Augen vor, nachdem Kit ihm unsere Namen
genannt hatte.
Dr. Ethan Kane war ein unglaublich attraktiver Mann, so viel
musste ich einräumen. Er hatte ein breites, faltenloses Gesicht,
dichtes blondes, sonnengebleichtes Haar, breite Schultern und
eine schmale Taille. Seine Augen waren leuchtend blau, und
sein Lächeln war so warm wie das eines Alete-Babys.
»Nennen Sie mich doch Ethan«, erklärte er. »Das ist mir
lieber. Ich bin sehr erfreut, Sie kennen zu lernen. Worum geht es
noch genau? Das FBI ist möglicherweise daran interessiert,
unser Hospital von Zeit zu Zeit zu benutzen, wenn ich richtig
informiert wurde? Sie wissen ja gar nicht, wie sehr mich das
freut. Das hier ist eine großartige Forschungseinrichtung,
vielleicht die beste in den Vereinigten Staaten. Haben Sie Zeit
zum Reden? Ich könnte ein paar Minuten erübrigen.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Doktor«, sagte Kit in
freundlich-unverbindlichem Ton. Ich hatte diese aalglatte,
diplomatische Seite von ihm noch nie zuvor gesehen. Während
wir Dr. Kane folgten, wandte sich Kit zu mir um und flüsterte:
»Verdirb mir ja nicht meinen Auftritt! Und untersteh dich zu
lachen!«
Wir wussten aus dem Werbeprospekt, den Analise Miller uns
überreicht hatte, dass Ethan Kane Preisträger des American
Society of Transplant Surgeon’s Pioneer Award war und
darüber hinaus bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet der
Stammzellenforschung betrieb. Wir folgten dem Arzt durch ein
Labyrinth von Korridoren zu seinem Büro, einem wenig
imposanten, gemütlichen Zimmer, in dem sich überall Bücher
vom Boden bis fast auf Schreibtischhöhe stapelten. An den
Wänden hingen Bilder, die Dr. Kane zusammen mit einigen
auserwählten politischen Führern und dem einen oder anderen
Weitere Kostenlose Bücher