Patterson James
– er und Max waren allein.
Die süße, unerträglich schöne, goldenhaarige Max war direkt
neben ihm, während sie über das Waldland schwebten und mit
ihren Flügelspitzen buchstäblich die Baumwipfel streiften.
Wie er so auf der warmen, frisch riechenden Luft
dahinschwebte, kam Oz ein weiterer profunder Gedanke: Wie
wütend er doch in seinem ganzen bisherigen Leben gewesen
war.
Traurig, aber wahr. Und unbestritten.
Er hatte gegen die Gefängniswärter in der Schule in Colorado
rebelliert und sie bekämpft, wo er nur konnte, und seit man ihn
zu seiner biologischen Mutter zurückgebracht hatte, war er
voller Wut auf die ganze Welt gewesen. Doch in den
vergangenen paar Tagen war diese rot glühende Flamme in ihm
fast völlig erloschen.
Und der Grund dafür war allein Max. Er wollte, dass sie sich
genauso großartig fühlte wie er, und er meinte sterben zu
müssen, falls sie es nicht tat. Er warf ihr einen
verschwörerischen Seitenblick zu, dann jagte er senkrecht
hinauf in den Himmel wie ein Jet, der einer Hitze suchenden
Rakete zu entkommen trachtet.
Dann schoss er wieder nach unten auf Max hinab und umfasste
sie von hinten. Während sie beide der Erde entgegenfielen,
küsste er sie auf den Hals.
Es war fantastisch. Jeder sollte es wenigstens einmal
probieren, dachte Oz. Als es schon fast zu spät war, um den
Sturz noch abzufangen, rief Max: »Oz, lass los! Jetzt!«
Er ließ sie los, und sie breiteten ihre wundervollen Schwingen
aus, schlugen die Luft, schlugen mit aller Kraft und stoppten
ihren Sturz in einer Bewegung, die jeden Zuschauer im Cirque
de Soleil auf die Füße hätte springen lassen.
»Hey!«, schimpfte Max lachend. »Das hätte gefährlich werden
können!«
»Aber es hat dir gefallen, oder? Du bist meiner doch noch
nicht schrecklich überdrüssig?«
»Nein, Oz. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Ich habe noch
nie zuvor so etwas empfunden, und ich will, dass es niemals
endet. Wir sind wie … na ja, wie Romeo und Julia!«
»Aber lass uns die Sache mit dem Selbstmord übergehen, falls
du nichts dagegen hast.«
»Ich bin nicht der Typ für Selbstmord«, antwortete Max
lächelnd.
Mit mächtigen Flügelschlägen stieg sie beinahe senkrecht in
die Höhe, immer höher hinauf, und als sie ihrer Meinung nach
hoch genug war, legte sie die Flügel an und stürzte sich auf Oz
herab. Sie liebkoste seine Wange mit ihren Fingern, während sie
an ihm vorbeischoss. Gott, wie sehr sie ihn liebte!
»Fang mich, wenn du kannst!«, rief sie.
»Kein Problem! Betrachte dich so gut wie gefangen«,
antwortete er.
»Was für ein Macho du bist!«
Die Jagd war eröffnet.
Max raste über einen prachtvollen Hain aus Eschen hinweg,
ließ sich hinter ihnen durchsacken und schlängelte sich
zwischen den Baumstämmen hindurch. Definitiv zehn von zehn
möglichen Punkten auf den Wertungskarten der Preisrichter.
Oz jagte hinter ihr her und bewegte die Flügel so schnell, dass
sie mit bloßem Auge nur noch verschwommen zu erkennen
waren. Baumstamm um Baumstamm wurde umkurvt, eine
unglaubliche Zurschaustellung von Mut und Geschicklichkeit.
Dann landete Max.
Und daneben Oz.
Sie lagen sich in den Armen, noch bevor ihre Füße den Boden
berührten. Ihre bebenden Lippen berührten sich. Ihr aufgeregter
Atem schien das lauteste Geräusch im gesamten Wald.
Oz strich Max die blonden Haare aus dem Gesicht und hielt
ihren Kopf sanft an dem Knoten, den er in ihrem Nacken flocht.
Er küsste sie, und sie seufzte unter ihm. Plötzlich wurde er sehr
hart, und sie lachte auf. »Was für ein Mann! « , hauchte sie.
»Und was für ein Mädchen! Was für eine Frau du bist, Max!«
»Meinst du das ehrlich?«, hauchte sie atemlos.
»Ich weiß es.«
Ihre Leiber hoben und senkten sich, hoben und senkten sich im
milden Lichtschein unter den Eschen. Sie waren vollkommen
ineinander verloren. Sie waren eins mit allem in den Wäldern.
Irgendetwas an ihrem komplizierten genetischen Kode machte
dies zu einem unvergleichlichen Ereignis. Nach langer, langer
Zeit lösten sie sich endlich voneinander, und ihre perfekten
Leiber glänzten vor Schweiß.
Max dachte bereits voraus an die nächsten Augenblicke –
wenn sie alles noch einmal tun würden. Sie spürte nicht einen
Tick von Schuldgefühl. Sie fühlte sich ganz im Gegenteil
wunderbar und rein. Dafür wurden wir geschaffen. Es ist so
richtig.
Still lagen sie und Oz für mehrere atemlose Augenblicke
nebeneinander, während sie ihre Kräfte sammelten. Dann spürte
Oz, wie
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