Patterson James
bleiben.
Entweder du kämpfst, oder du lässt es bleiben, Nick. Du hast
um alles gekämpft. Warum also nicht auch um Ellen Jaffe?
Am Montagmorgen nahm ich meinen Platz im Gerichtssaal ein.
Mein Herz pochte. Das tat es immer am ersten Tag einer
Verhandlung, und bei dieser Verhandlung ging es um alles.
Die Vertreter beider Parteien füllten die ersten beiden Reihen
des Gerichtssaals. Joel Goldenberger war der Chefankläger. Er
war jünger, als er aussah, vielleicht dreiunddreißig Big. Groß
und selbstsicher. Helles, buschiges Haar und ein sympathisches
Lächeln. Doch in seinem Innern war er ein Kämpfer, der an
seine Überzeugungen glaubte. Alle redeten von ihm als dem
zukünftigen Star in der Justizabteilung, nachdem er bereits drei
öffentlichkeitswirksame Wall-Street-Prozesse gewonnen hatte.
Auf der anderen Seite saß Hy Kaskel und blätterte in seinen
Aufzeichnungen. Das Frettchen war höchstens einsfünfundsechszig groß und hatte kurze Boxerarme, aber seinem
Spitznamen machte er alle Ehre, wenn es darum ging, einen
Zeugen in Misskredit zu bringen. Er trug einen dunkelblauen
Nadelstreifenanzug und eine gestreifte Krawatte, unter den
Jackettärmeln lugten zwei elegante goldene Manschettenknöpfe
hervor.
In der ersten Reihe der Zuschauerplätze saß Cavellos Familie.
Eine mollige, freundlich wirkende Frau in schlichtem, aber
geschmackvollem Kostüm, die in ihre Stickarbeit vertieft war.
Neben ihr saß treu ergeben eine erwachsene Tochter mit
langem, welligem blondem Haar. Die Sicherheitsvorkehrungen
im Gericht waren strenger als das, was ich sonst kannte. Au
weia, wahrscheinlich war ich für die Hälfte von diesem Chaos
verantwortlich. Alle Taschen waren geöffnet, alle Ausweise der
Geschworenen zweimal überprüft, alle Presseausweise mit den
Unterlagen des Gerichts verglichen worden. Über den ganzen
Foley Square verteilt standen bewaffnete Polizisten entlang der
Absperrungen.
Cavello wurde durch einen unterirdischen Gang aus dem zwei
Blocks entfernten Manhattan County Jail hereingeführt, wo er
im Hochsicherheitstrakt einen eigenen Flügel bekommen hatte.
Im Gerichtsgebäude wurde er in einem bewachten Fahrstuhl in
den sechsten Stock gefahren.
Ich wünschte nur, wir hätten die Geschworenen abgesondert.
Dies war seit Jahren der größte Prozess gegen das organisierte
Verbrechen. Doch die Richterin wollte sich selbst einen Namen
machen. Miriam Seiderman hatte ein Auge aufs Oberste Gericht
geworfen. Sie hatte die Zusicherung von den Anwälten, sogar
vom Verteidiger höchstpersönlich. Sie wollte den Prozess in
aller Öffentlichkeit führen.
Schließlich wurde eine Tür im hinteren Bereich geöffnet. Ein
Raunen ging durch den Saal.
Zwei stämmige Marshals führten den Angeklagten herein.
Cavellos Hände waren vorne gefesselt, zu seiner braun karierten
Sportjacke trug er eine dezente olivfarbene Krawatte, sein schon
etwas graues Haar war frisch geschnitten. Er sah nicht aus wie
das Tier, das alle erwartet hatten. Eher wie ein normaler Bürger,
der neben einem in der U-Bahn sitzen könnte.
Cavello blickte sich um und nickte, als wäre er beeindruckt
von dem überfüllten Gerichtssaal. Die Marshals führten ihn zu
einem Stuhl neben seinem Anwalt, wo sie ihm die Handschellen
abnahmen. Kaskel beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm
etwas ins Ohr, was ihn zum Schmunzeln brachte. Unsere Blicke
trafen sich für eine Sekunde. Seine Augen blitzten auf, und
wieder lächelte er, als wollte er sagen: Schön, dich hier zu
sehen, Nicky. Glaubst du wirklich, dass du mich schlagen
kannst?
Sharon Ann Moran, die Gerichtsdienerin, stand auf. »Erheben
Sie sich.«
Durch die Seitentür betrat Richterin Seiderman den Saal. Sie
war eine ziemlich kleine, attraktive Frau mit angegrautem Haar
und freundlichem Gesicht. Unter der Robe trug sie einen
geschmackvollen, kurzen Rock. Auch für sie war dies der größte
Fall. Sie nahm ihren Platz hinter der Richterbank ein und
bedeutete der Menge, sich zu setzen.
»Mr. Goldenberger, ist die Staatsanwaltschaft bereit?«
Goldenberger erhob sich und nickte. »Ja, Euer Ehren.«
»Mr. Kaskel?«
»Ja, Euer Ehren. Auch der Angeklagte ist bereit und darauf
erpicht, seine Unschuld zu beweisen.« Das Frettchen wölbte die
Augenbrauen, als bereitete er sich auf einen Kampf vor.
»Also, Ms. Moran«, die Richterin nickte ihrer Gerichtsdienerin
zu, die zum Geschworenenzimmer ging, »Sie können die
Geschworenen jetzt hereinführen.«
10
Andie DeGrasse kam
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