Patterson James
die Küche verschwand. Vor dem gelben Sofa
mit Paisley-Muster stand ein Beistelltisch, darauf lagen Architectural Digest und InStyle. Ein stark mitgenommenes Taschenbuch, Die Schwester der Königin. Die Jazz-CD, die sie aufgelegt
hatte, kannte ich. War von Coltrane. Ich ging zum Regal und
griff zur Hülle. A Love Supreme.
»Hübsch«, sagte ich. »Ich habe mal Saxophon gespielt. Ist
aber schon lange her.«
»Echt?«, rief sie aus der Küche. »Damals in den Fünfzigern?«
Ich setzte mich an den Tresen. »Sehr lustig.«
Sie schob einen Teller mit Käsebällchen und Empanadas
herüber. »Hier, ich habe mich mächtig ins Zeug gelegt.«
Ich piekste ein Bällchen mit einem Zahnstocher auf. Lecker.
Nachdem sie mir ein Glas Pinot Grigio aus einer offenen
Flasche eingeschenkt hatte, setzte sie sich mir gegenüber.
Sie roch frisch nach Lavendel oder Aprikose oder etwas
Ähnlichem. Egal, warum wir hier waren – Abendessen, Techtelmechtel, Informationsveranstaltung über Cavello –, mir gefiel
es schon jetzt besser, als es sollte.
Sie lächelte. »Äh, na ja, ist schon ein bisschen komisch, oder?«
»Ich habe mit laufendem Motor vor der Tür geparkt, für den
Notfall.«
»Falls ich verrücktspiele?«
»Falls mir Ihre Paella nicht schmeckt.«
Andie lachte. »Schießen Sie los«, forderte sie mich auf und
neigte ihr Glas in meine Richtung. »Ich denke, es sind gute
Neuigkeiten, oder?«
»Stimmt.« Wir stießen miteinander an. »Diesmal ist Cavello
geliefert.« Plötzlich schien es mir überhaupt nicht angebracht,
über mein Treffen mit Cavello zu reden. Bisher verband uns nur
dieser furchtbare Prozess. In der Pause, die entstand, nahmen
wir noch einen Schluck Wein. Schließlich lächelte Andie und
ließ mich vom Haken.
»Wir müssen nicht darüber reden. Wir können uns über Ihre
Studenten unterhalten. Oder was im Irak passiert. Oder, was
Gott eigentlich verhüten möge, über die Yankees.«
Beim Essen erzählte ich ihr schließlich doch mehr von meiner
Begegnung mit Cavello. Ich glaube, es gab ihr ein gutes Gefühl,
zu wissen, dass das Schwein wenigstens für irgendetwas
bezahlen musste. Und der Paella musste ich zehn Punkte geben.
Sie entsprach genau meinem Geschmack.
Anschließend half ich ihr beim Abräumen und stellte das
Geschirr in die Spüle, bis sie mich aufhielt und sagte, das werde
sie später machen. Schließlich kochte sie Kaffee.
Andie hatte mir den Rücken zugekehrt. Wir redeten über ihre
Schauspielerei, als ich ein Foto auf dem Tresen bemerkte. Sie
und ihr Sohn. Sie hatte ihren Arm um seine Schultern gelegt,
beide lächelten breit. Liebe. Mutter und Sohn, die nicht glücklicher sein konnten.
Als ich wieder aufblickte, hatte sie sich zu mir gedreht. »Ich
will Sie nicht vor den Kopf stoßen, Nick, aber warum kommen
Sie immer wieder her? Was wollen Sie mir mitteilen?«
Ich wurde verlegen. »Ich weiß nicht.«
»Sie wollen sagen, dass es wehtut? Ich weiß, dass es wehtut.«
Ihre Augen glänzten. »Sie wollen sagen, Sie wünschten, Sie
hätten etwas dagegen tun können?«
»Ich weiß nicht, was ich sagen möchte, Andie. Aber ich weiß,
dass ich herkommen und Sie sehen wollte.«
Und ich wollte auch einfach meine Arme ausstrecken und sie
festhalten. Ich glaube nicht, dass ich jemals einen Menschen so
sehr in die Arme nehmen wollte wie sie. Vielleicht wollte sie es
auch. Doch sie stand einfach nur da, die Hände auf dem Tresen.
Schließlich begann sie zu lächeln. »Der Motor läuft noch,
hm?«
Ich nickte. In der letzten Minute war die Temperatur in der
Küche ziemlich angestiegen. »Verstehen Sie das nicht falsch,
aber ich glaube, ich werde auf den Kaffee verzichten.«
»Hey.« Andie seufzte. »Wie Sie meinen.«
Nachdem ich meine Jacke vom Stuhl am Esstisch geholt hatte,
begleitete mich Andie zur Tür. »Es war alles ganz toll«, meinte
ich. »Wie in Ihrer Werbung.« Ich hielt einen Moment ihre Hand.
»Es ist, weil ich mich in Ihrer Nähe wohl fühle. Deswegen bin
ich hergekommen. Sie bringen mich zum Lachen. Seit Monaten
hat das niemand geschafft.«
»Sie haben ein hübsches Lächeln, Nick, wenn Sie es zulassen.
Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?«
Ich wandte mich zum Gehen. »Schon lange nicht mehr.«
Sie schloss die Tür hinter mir. Ein Teil in mir wollte sagen:
Scheiß drauf, Nick, und kehr um. Ich wusste, dass sie immer
noch an der Tür stand, spürte sie beinahe auf der anderen Seite.
»Was geschehen ist, ist geschehen, Nick«, hörte ich sie.
»Sie können die
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