Patterson James
»Ausschneiden und einfügen.«
»Das ist gut«, sagte ich und beugte mich über seine Schulter.
»Was meinst du, sollen wir versuchen, seine Haare zu verändern? Ganz kurz geschnitten, nur wenige Millimeter lang. Und
ein bisschen dunkler.«
»Du meinst, so?« Er klickte auf ein Symbol, um ein Menü mit
mehreren Frisuren zu öffnen. Daraus wählte er. eine, die meiner
Beschreibung am nächsten kam, und legte sie über das neu
gestaltete Gesicht.
»Der Haaransatz muss noch ein Stück nach hinten. An den
Seiten.«
Chummie begann, wieder mit dem Cursor herumzuspielen.
»Ja, genau so. Und, können wir jetzt noch die Brille entsorgen?«
»Schneller als in der Laserklinik.« Er grinste. »Und billiger.«
Etwa eine Minute dauerte der Vorgang.
Die Brille verschwand.
»Eins a!«, rief ich. Das Bild haute mich fast um.
»Noch was, Nick? Wenn du nicht zufrieden bist, gib mir
Bescheid. Ich lasse ihn so aussehen, wie du willst.«
»Nein, Chummie.« Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Ich
glaube, wir sind fertig.«
Ich nahm das Bild von Kolya Remlikov heraus, das Yuri
Plakhov mir gefaxt hatte, und hielt es neben das veränderte
Gesicht von Cavellos Komplizen.
»Bingo«, sagte Senil Chumra.
Die beiden Männer waren identisch.
88
Meine dreizehnjährige Laufbahn bei einer der bürokratischsten
Ermittlungsbehörden der Welt sagte mir, ich solle direkt zum
Javits-Gebäude fahren und das, was ich gefunden hatte, Cioffi
auf den Schreibtisch werfen.
Es bestanden kaum Zweifel, dass Kolya Remlikov der Mann
war, der Cavello befreit hatte.
Ich kam nur bis zur Ecke, wo ich mir ein Taxi nehmen wollte.
Dann hielt mich irgendetwas zurück. Ich wusste nicht genau,
was.
Vielleicht war es der Gedanke, Remlikov genau denjenigen zu
übergeben, die ihn hatten laufen lassen. Oder das plötzliche
Bewusstsein, wie schwierig es sich beweisen lassen würde –
bestimmte Kanäle nutzen, ihn verhören. Welche Ermittlungsbehörden würden daran beteiligt werden? Würde man mich daran
beteiligen? Eine undichte Stelle, und Remlikov würde verschwinden. Und mit ihm Cavello. Wo stünden wir dann?
Ich hatte so viele Jahre damit zugebracht, das Richtige zu tun.
Plötzlich schien das Richtige nicht mehr ganz so richtig zu sein.
Ich winkte das Taxi weiter.
Ich ging zurück, lehnte mich einen Moment an die Hauswand
und versuchte zu entscheiden, was das Richtige war. Und dann
traf es mich wie der Blitz. Für einen Lehrer in Kriminalethik bist
du gerade dabei, was ganz Dummes zu tun, sagte ich mir.
Ich suchte in meinem BlackBerry die Nummer von Steve
Bushnagel heraus und rief ihn an, um mich nach seinen Plänen
fürs Mittagessen zu erkundigen. Steve war mittlerweile Partner
in einer Rechtsanwaltskanzlei, beriet aber das FBI. Er war
Experte auf den Gebieten Auslieferung und internationales
Recht.
»Mittagessen? Wo?«, fragte Bushnagel.
»Schnell und billig«, antwortete ich. »Du bist eingeladen.«
»Wie schnell?«
»Spring in den Fahrstuhl. Ich stehe gleich vor der Tür.«
Als er durch die Tür des großen Glashochhauses auf der 6lh
Avenue trat, lehnte ich an einem Fahrzeug und hielt ihm zwei
Hotdogs hin. »Ketchup oder Senf?«
»Ich will mich ja nicht unbedingt wie ein Rechtsanwalt aufführen – aber wie wär’s mit beidem?«
Wir setzten uns an einer belebten Ecke auf eine Mauer. »Steve, ich möchte an jemanden rankommen, der nach Israel
geflohen ist.«
»Rankommen?«
»Ich will, dass er zurückkommt.«
Bushnagel nahm einen Bissen. »Reden wir von einem Flüchtling oder einem israelischen Bürger?«
»Bürger, befürchte ich. Er lebt schon eine Weile dort.«
»Und diese Verbrechen, wegen denen du ihn hier haben willst,
wurden in den Vereinigten Staaten verübt, nicht in Israel?«
»Wir unterhalten uns nur, Steve, ja?«
Er wedelte mit dem Hotdog in meine Richtung. »Ich versichere dir, für genauere Auskünfte bezahlst du mir nicht genug.«
Ich grinste. »Okay. Dann könnten wir noch über ein paar
andere Sachen in Russland und Frankreich reden.«
»Hmpf«, machte Bushnagel. »Die Israelis sind kooperativ –
bis zu einem gewissen Grad. Erinnerst du dich an Jonathan
Pollard? Wir haben ihn 1985 wegen Spionage verhaftet – in den
Augen der Israelis ungerechtfertigt. Zwanzig fahre lang haben
sie versucht, ihn zurückzubekommen. Und dieser Elektroniktyp,
der nach Israel geflohen war? Der ›Verrückte Eddie‹, Eddie
Antar? Du weißt, wie lange es gedauert hat, bis er ausgeliefert
wurde. Natürlich kommt es darauf an, wovon wir
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