Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
Das war befriedigender als alles, was sie sich vorstellen konnte. Er wankte, stöhnte laut. Sein Kopf ruckte nach hinten. Sein Haar flatterte. Sie wollte ihn zu Boden schlagen. Vielleicht bewußtlos. Dann würde sie Licht machen. Vielleicht würde sie ihn treten, während er am Boden war.
»Das war bloß ein liebevoller Klaps«, sagte sie zu ihm. »Erst der Anfang.«
Sie sah, daß er stolperte. Er ging zu Boden.
Wumm – etwas, jemand schlug ihr gegen den Rücken. Der Schlag raubte ihr den Atem.
Sie konnte nicht fassen, daß sie aus dem toten Winkel angegriffen worden war. Der Schmerz strömte durch ihren Körper, als wäre auf sie geschossen worden.
Wumm.
Es geschah wieder.
In ihrem Schlafzimmer waren zwei Männer.
94. Kapitel
Kate stand durch die Schmerzen unter Schock, aber sie blieb auf den Beinen, und schließlich sah sie den zweiten Mann in ihrem Schlafzimmer. Er holte heftig aus und traf sie an der Stirn. Sie hörte ein metallisches Klingeln und spürte, daß sie fiel, umkippte. Spürte, wie sie sich in Luft auflöste. Dann prallte ihr Körper gegen die Bodenbretter.
Zwei Stimmen trieben über ihr. Zwei Ungeheuer in ihrem Schlafzimmer. Alptraum in Stereo.
»Du solltest nicht hiersein.« Sie erkannte Casanovas Stimme. Er sprach mit dem zweiten Eindringling. Dem Teufel hinter der zweiten Tür. Dr. Will Rudolph?
»Doch, ich bin derjenige, der hiersein sollte. Ich hänge nicht an diesem blöden Miststück, oder? Sie könnte mir nicht gleichgültiger sein. Denk darüber nach. Sei schlau.«
»Schon gut, schon gut, Will. Was willst du mit ihr machen?« Wieder Casanova. »Das ist deine Show. Hast du es nicht so gewollt?«
»Persönlich möchte ich sie am liebsten fressen, in kleinen Happen«, sagte Dr. Will Rudolph. »Ist das zu extrem?«
Sie lachten wie zwei Kumpel am Tresen. Kate spürte, daß sie aus der Szene verschwand. Sie ging. Wohin?
Will Rudolph sagte, er habe ihr Blumen mitgebracht. Beide lachten über den Witz. Sie waren wieder gemeinsam auf der Jagd. Niemand konnte sie daran hindern. Kate konnte ihren Körpergeruch riechen, eine starke, männliche Moschusausdünstung, die sich zu einer überwältigenden Präsenz zu verdichten schien. Sie blieb lange bei Bewußtsein. Sie kämpfte mit aller Kraft. Sie war stur, willensstark, höllisch stolz. Schließlich ging das Licht für sie aus wie eine Röhre in einem altmodischen Fernseher. Das Bild verschwamm, dann kam ein kleiner Lichtkreis, dann Schwärze. So einfach war das, so prosaisch. Sie schalteten die Schlafzimmerlichter ein, als sie fertig waren, damit Kate McTiernans Bewunderer einen letzten Blick auf sie werfen konnten. Ermordet, über jedes Maß an Kaltblütigkeit hinaus.
95. Kapitel
Meine Arme und Beine zitterten unkontrollierbar, als ich versuchte, die etwa fünfzehn Kilometer von Durham nach Chapel Hill zu fahren. Sogar meine Zähne klapperten, schlugen heftig gegeneinander.
Ich mußte schließlich vom Chapel Hill-Durham Boulevard abbiegen, weil ich glaubte, ich würde das Auto zu Schrott fahren. Ich saß zusammengesackt auf dem Fahrersitz. Die Scheinwerfer beleuchteten tanzende Staubkörnchen und lichthungrige Insekten, die durch die Luft des frühen Morgens schwebten. Ich holte immer wieder tief Luft, versuchte, zu Verstand zu kommen. Es war nach fünf Uhr morgens, und die Vögel sangen schon. Ich hielt mir die Ohren zu, um ihren Gesang auszusperren. Sampson schlief noch im Hotel. Ich hatte vergessen, daß er da war. Kate hatte nie Angst vor Casanova gehabt. Sie vertraute ihrer Fähigkeit, auf sich selbst aufzupassen, trotz der Entführung. Ich wußte, daß es irrational und verrückt war, mir die Schuld zu geben, aber ich tat es. Irgendwo, irgendwann in den letzten Jahren hatte ich damit aufgehört, mich wie ein professioneller Kriminalpolizist zu verhalten. Es hatte sein Gutes, aber in gewisser Hinsicht war es schlecht. Der Beruf war zu schmerzhaft, wenn man Gefühle zuließ. Das war der sicherste, schnellste Weg, sich kaputtzumachen.
Schließlich fuhr ich auf die Straße zurück. Etwa eine Viertelstunde später kam ich zu dem vertrauten Holzhaus in Chapel Hill. »Altweibergasse« hatte Kate die Straße getauft. Ich sah ihr Gesicht, ihr bezauberndes, lockeres Lächeln, ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Überzeugung von Dingen, die ihr wichtig waren. Ich hörte ihre Stimme.
Sampson und ich waren vor weniger als drei Stunden in diesem Haus gewesen. Meine Augen brannten, mein Kopf schrie. Ich verlor die Beherrschung.
Schwarzweiße
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