Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
Professorinnen unterhalten hatte.
Sosehr ich mir gewünscht hatte, Sachs zu schnappen, ich begriff im Grunde nicht, warum er zu diesem Zeitpunkt auf das Revier gebracht worden war. Warum jetzt?
»Wir haben herausgefunden, woher sein Geld stammt«, gab mir Kyle einen Teil der Antwort. »Sachs gehört ein Begleitungsservice in Raleigh und Durham. Der Service heißt Kissmet. Interessanter Name. Er wirbt in den Gelben Seiten mit Modellen für Unterwäschen. Zumindest wird Dr. Sachs ernsten Ärger mit dem Finanzamt bekommen. Washington hat entschieden, daß wir ihn jetzt unter Druck setzen sollen. Sie befürchten, daß er bald abhaut.«
»Ich bin nicht einer Meinung mit deinen Leuten in Washington«, sagte ich zu Kyle. Ich wußte, daß manche Agenten die dortige Zentrale Disneyland East nannten. Ich begriff, warum. Möglicherweise setzten sie jetzt die ganze Ermittlung aufs Spiel, per Fernbedienung.
»Wer ist schon einer Meinung mit Washington?« sagte Kyle und zuckte die breiten, knochigen Schultern. Es war seine Weise, zuzugeben, daß er nicht mehr die volle Kontrolle hatte. Der Fall war jetzt zu groß. »Übrigens, wie geht es Kate McTiernan?« fragte er.
Ich hatte an jenem Morgen schon dreimal mit dem Duke Medical Center telefoniert. Sie konnten mich unter einer Nummer im Revier von Durham erreichen, falls sich Kates Zustand änderte. »Sie wird als ernster Fall geführt, aber sie hält immer noch durch«, brachte ich Kyle auf den neuesten Stand.
Ich bekam kurz vor elf die Chance, mit Wick Sachs zu reden. Das war Kyles Zugeständnis an mich.
Ich versuchte, Kate zu verdrängen, ehe ich im selben Raum wie Sachs sein mußte. Trotzdem donnerte und wütete der Zorn in meinem Körper. Ich wußte nicht, ob ich mich beherrschen konnte. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob ich es wollte.
»Laß mich das machen, Alex. Laß mich zu ihm.« Sampson hielt mich am Arm fest, ehe ich hineinging. Ich schüttelte ihn ab und ging zu Dr. Wick Sachs. »Das mache ich selbst.«
98. Kapitel
»Hallo, Dr. Sachs.«
Die Beleuchtung in dem kleinen, unpersönlichen Verhörzimmer war noch heller und greller, als sie durch den Spionspiegel gewirkt hatte. Sachs hatte rote Augen, und ich merkte, daß er so angespannt war wie ich. Seine Haut sah aus, als spanne sie über dem Schädel. Aber er war so selbstbewußt und selbstgefällig mir gegenüber, wie er es bei James Heekin vom FBI gewesen war. Sah ich in Casanovas Augen? fragte ich mich. War es möglich, daß er das Ungeheuer in Menschengestalt war?
»Ich heiße Alex Cross«, sagte ich, als ich in einen abgenutzten Metallstuhl sackte. »Naomi Cross ist meine Nichte.«
Sachs sprach durch zusammengebissene Zähne. Seine Stimme war etwas schleppend. Laut Kate hatte Casanova keinen erkennbaren Akzent.
»Zum Teufel, ich weiß, wer Sie sind. Ich lese Zeitung, Dr. Cross. Ich kenne Ihre Nichte nicht. Ich habe gelesen, daß sie entführt worden ist.«
Ich nickte. »Wenn Sie Zeitung lesen, müssen Sie außerdem über die Taten des Abschaums, der sich Casanova nennt, etwas wissen.«
Sachs grinste dreckig, jedenfalls kam es mir so vor. Seine blauen Augen waren voller Verachtung. Es stach ins Auge, warum er an der Universität so unbeliebt war. Das blonde Haar war zurückgekämmt, keine Strähne fehl am Platz. Die Hornbrille trug dazu bei, daß er anmaßend und herablassend wirkte.
»In meiner Vergangenheit gibt es keinerlei Hinweise auf Gewalttätigkeit. Ich kann in meinem Haus nicht einmal Palmkäfer umbringen. Meine Aversion gegen Gewalt ist bestens dokumentiert.«
Wetten, daß, dachte ich. Deine ganzen schlauen Fassaden sind sauber, genau an der richtigen Stelle, nicht wahr? dachte ich. Deine liebende Frau, die Krankenschwester. Deine beiden Kinder. Deine »bestens dokumentierte Aversion gegen Gewalt«. Ich rieb mir mit beiden Händen das Gesicht. Es erforderte meine ganze Kraft, mich daran zu hindern, daß ich ihn schlug. Er blieb hochmütig und unnahbar.
Ich beugte mich über den Tisch und flüsterte: »Ich habe mir Ihre Sammlung erotischer Bücher angesehen. Ich war in Ihrem Keller, Dr. Sachs. In der Sammlung wimmelt es von perverser, sexueller Gewalt. Von körperlicher Erniedrigung von Männern, Frauen und Kindern. Das ist vielleicht noch keine Vorstrafe gegen Gewalttätigkeit, aber es verhilft mir zu ein paar subtilen Hinweisen auf Ihren wahren Charakter.«
Sachs tat das, was ich gesagt hatte, mit einer Handbewegung ab. »Ich bin ein anerkannter Philosoph und Soziologe. Ja, ich
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