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Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da

Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da

Titel: Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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lauteten Seth Taylors erste Worte an mich. Irgendwo in der Nachbarschaft schmetterte Digital Underground »Humpty Dance«. Es war genau wie in D. C. nur ein bißchen hinter der Zeit zurück. »Sie auch.«
    »Ach, leckt mich doch alle.« Es war eine vertraute Straßenbegrüßung, wie wir beide wußten, und wir lachten. Seths Lächeln war herzlich und ziemlich ansteckend. Er strahlte übertriebenes Selbstbewußtsein aus, aber es wirkte nicht unangenehm. Nichts, was mir neu gewesen wäre. Ich sah, daß seine breite Nase ein paarmal gebrochen war, aber er sah auf grob behauene Weise immer noch gut aus. Seine Präsenz beherrschte einen Raum, genau wie die Naomis. Der Kriminalist in mir machte sich Gedanken über Seth Taylor. Seth wohnte in einer alten Arbeitergegend im Norden von Durham. Früher hatten hier Arbeiter in den Tabakfabriken gelebt. Er hatte eine zweistöckige Wohnung in einem alten Schindeldachhaus, das in zwei Wohnungen unterteilt worden war. Plakate schwarzer Bürgerrechtsbewegungen hingen an den Flurwänden. Auf einem Plakat stand: Seit der Sklaverei sind schwarze Männer nicht mehr von einer solchen Katastrophe heimgesucht worden. Seine Freunde und Nachbarn füllten das Wohnzimmer. Ein Kassettenrecorder spielte traurige Songs von Smokey Robinson. Die Freunde waren hier, um bei der Suche nach Naomi zu helfen. Vielleicht hatte ich im Süden doch noch Verbündete gefunden. Alle in der Wohnung waren erpicht darauf, mit mir über Naomi zu sprechen. Niemand hatte einen Verdacht gegen Seth Samuel. Besonders beeindruckte mich eine Frau mit klugen, mitfühlenden Augen und einer Haut in der Farbe von Kaffee mit Sahne. Keesha Bowie war Anfang Dreißig, eine Postangestellte in Durham. Naomi und Seth hatten sie offenbar dazu überredet, wieder aufs College zu gehen und einen Abschluß in Psychologie zu machen. Sie und ich verstanden uns auf Anhieb. »Naomi ist gebildet, so wortgewandt, aber das wissen Sie ja schon.«
    Keesha nahm mich beiseite und redete ernsthaft mit mir. »Aber Naomi benützt ihr Können oder ihre Bildung nie dazu, andere klein zu machen oder sich als überlegen darzustellen. Das ist uns allen aufgefallen, wenn wir mir ihr zusammenkamen. Sie steht mit beiden Beinen auf der Erde, Alex. An ihr ist nichts Unechtes. Es ist unglaublich traurig, daß ihr so etwas zugestoßen ist.« Ich unterhielt mich noch eine Weile mit Keesha und mochte sie sehr gern. Sie war klug und hübsch, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt für solche Geschichten. Ich schaute mich nach Seth um und fand ihn im ersten Stock. Das Schlafzimmerfenster stand offen, und er saß draußen auf dem leicht schrägen Dach. Robert Johnson sang irgendwo in der Dunkelheit seinen quälenden Blues.
    »Was dagegen, wenn ich nach draußen komme und mich zu Ihnen setze? Hält das alte Dach uns beide aus?« fragte ich vom Fenster aus.
    Seth lächelte. »Falls nicht, falls wir beide auf die Vorderveranda krachen, ist es für alle eine gute Geschichte. Das ist den Sturz und das gebrochene Genick wert. Kommen Sie raus, wenn Sie Lust dazu haben.« Er sprach in einem angenehmen, fast musikalischen Singsang. Ich begriff, warum Naomi ihn gemocht hatte. Ich stieg hinaus und setzte mich neben Seth Samuel in die Dunkelheit, die sich über Durham legte. Wir hörten die Kleinstadtversion von Polizeisirenen und aufgeregte Rufe aus der Innenstadt. »Wir haben oft hier draußen gesessen«, murmelte Seth mit leiser Stimme. »Naomi und ich.«
    »Sind Sie okay?« fragte ich.
    »Nee. Mir ist es noch nie im Leben schlimmer gegangen. Und Sie?«
    »Auch noch nie schlimmer.«
    »Nachdem Sie angerufen hatten«, sagte Seth, »habe ich über diesen Besuch nachgedacht, über das Gespräch, das wir führen würden. Ich habe versucht, so zu denken wie Sie. Sie wissen schon, wie ein Kriminalpolizist. Bitte, denken Sie nicht mehr, ich könnte irgend etwas mit Naomis Verschwinden zu tun haben. Vergeuden Sie damit keine Zeit.«
    Ich sah hinüber zu Seth Samuel. Er saß vorgebeugt da, mit dem Kopf auf der Brust. Selbst in der Dunkelheit konnte ich sehen, daß seine Augen vor Nässe glänzten. Sein Kummer war greifbar. Ich hätte ihm gern gesagt, wir würden sie finden und alles würde gut werden, aber ich hatte keine Gewißheit darüber. Schließlich hielten wir uns aneinander fest. Uns beiden fehlte Naomi auf unsere Weise, und wir trauerten gemeinsam auf dem dunklen Dach.
31. Kapitel
    Ein Freund von mir beim FBI erwiderte an jenem Abend endlich meine Anrufe. Ich war beim Lesen,

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