Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
heraus.
Während ich dort war, kam die diensthabende Ärztin herein. Wir hatten an jenem Tag schon mehrmals miteinander geredet. Dr. Maria Ruocco hatte kein Interesse daran, mir wichtige Informationen über ihre Patientin vorzuenthalten. Sie war sogar äußerst hilfsbereit und nett. Dr. Ruocco sagte, sie wolle dabei helfen, den zu fassen, der dieser jungen Assistenzärztin so etwas angetan hatte.
Ich hatte den Verdacht, Kate McTiernan glaube, sie werde immer noch gefangengehalten. Während ich beobachtete, wie sie sich gegen unsichtbare Kräfte wehrte, spürte ich, daß sie eine großartige Kämpferin war. Ich ertappte mich dabei, daß ich sie im Krankenhauszimmer anfeuerte.
Ich erbot mich, an Kate McTiernans Bett auszuharren.
Niemand hatte etwas dagegen. Vielleicht würde sie etwas sagen. Ein Satz, ein einziges Wort konnte zu einem wichtigen Hinweis für die Jagd auf Casanova werden. Wir brauchten nur einen einzigen Anhaltspunkt, um alles in Bewegung zu setzen.
»Sie sind jetzt in Sicherheit, Kate«, flüsterte ich immer wieder. Sie schien mich nicht zu hören, aber ich machte trotzdem weiter. Gegen halb zehn an jenem Abend kam ich auf eine Idee, auf einen unwiderstehlichen Gedanken.
Das auf Kate McTiernan angesetzte Ärzteteam war für heute schon gegangen. Ich mußte es jemandem sagen, deshalb rief ich das FBI an und überredete die Agenten, mir zu erlauben, daß ich Dr. Maria Ruocco zu Hause in der Nähe von Raleigh anrief.
»Alex, sind Sie immer noch im Krankenhaus?« fragte Dr. Ruocco, als sie ans Telefon kam. Sie wirkte eher überrascht als zornig über den nächtlichen Anruf bei sich zu Hause. Ich hatte mich tagsüber schon ausführlich mit ihr unterhalten. Wir hatten beide an der Johns-HopkinsUniversität studiert und ein wenig über unsere Vergangenheit geredet. Sie war sehr interessiert am Fall Soneji und hatte mein Buch gelesen.
»Ich habe hier gesessen und wie üblich gegrübelt. Ich wollte herausbekommen, wie er sich seine Opfer gefügig macht«, erläuterte ich Maria Ruocco meine Theorie. »Ich habe mir überlegt, daß er sie vielleicht betäubt und daß er vielleicht etwas Raffiniertes benützt. Ich habe Ihr Labor angerufen und mich nach den Ergebnissen der toxischen Untersuchung von Kate McTiernan erkundigt. Sie haben Marinol in ihrem Urin gefunden.«
»Marinol?« Dr. Ruocco klang so überrascht, wie ich es zunächst auch gewesen war. »Hmm. Wie zum Teufel ist er an Marinol herangekommen? Das ist ja wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Aber es ist eine schlaue Idee. Fast brillant. Wenn er sie unterwürfig machen wollte, war Marinol eine gute Wahl.«
»Wäre das keine Erklärung für die psychotischen Schübe von heute?« fragte ich. »Tremor, Konvulsionen, Halluzinationen, alles paßt ins Bild, wenn man darüber nachdenkt.«
»Sie könnten recht haben, Alex. Marinol! Herrje. Die Symptome beim Entzug von Marinol könnten dem schlimmsten Delirium tremens Konkurrenz machen. Aber woher sollte er soviel über Marinol und die Verabreichung wissen? Ich glaube nicht, daß ein Laie auf so etwas kommt.«
Das hatte ich mich auch schon gefragt. »Vielleicht hat er eine Chemotherapie hinter sich? Er könnte krebskrank gewesen sein. Vielleicht mußte er Marinol einnehmen.
Vielleicht hat ihn die Chemotherapie in der einen oder anderen Weise entstellt.«
»Vielleicht ist er Arzt? Oder Apotheker?« stellte Dr.
Ruocco Vermutungen an. Ich hatte an diese Möglichkeiten auch schon gedacht. Er konnte sogar ein Arzt am University Hospital sein.
»Hören Sie, vielleicht kann unsere Lieblingsassistenzärztin uns etwas über ihn erzählen, was uns dabei hilft, ihm das Handwerk zu legen. Können wir irgend etwas tun, damit sie den Entzug schneller übersteht?«
»Ich bin in etwa zwanzig Minuten da. Früher«, sagte Maria Ruocco. »Sehen wir, was wir tun können, um der armen Frau aus dem Alptraumzustand herauszuhelfen. Ich glaube, wir möchten beide gern mit Kate McTiernan sprechen.«
49. Kapitel
Eine halbe Stunde später war Dr. Maria Ruocco bei mir im Zimmer von Dr. Kate McTiernan. Ich hatte weder der Polizei von Durham noch dem FBI etwas von meiner Entdeckung gesagt. Erst wollte ich mit der Assistenzärztin sprechen. Es konnte ein Durchbruch bei dem Fall sein, der größte bis jetzt. Maria Ruocco untersuchte ihre wichtige Patientin fast eine Stunde lang. Dr. Ruocco war eine sachliche, aber freundliche Ärztin. Sie war sehr attraktiv, aschblond, vermutlich Ende Dreißig. Eine Südstaatenschönheit, nicht ganz
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