Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
nach meinem Geschmack, aber ganz schön umwerfend. Ich fragte mich, ob Casanova je Dr. Ruocco nachgestellt habe.
»Die arme Kleine ist wirklich übel dran«, sagte sie zu mir. »Das Marinol in ihrem Körper hätte fast ausgereicht, sie umzubringen.«
»Ich frage mich, ob das nicht die ursprüngliche Absicht war«, sagte ich. »Vielleicht war sie eine der von ihm Verstoßenen. Verdammt noch mal, ich möchte mit ihr reden.« Kate McTiernan schien zu schlafen. Sie schlief unruhig, aber sie schlief. Sobald Dr. Ruoccos Hände sie berührten, stöhnte sie jedoch. Das mit Blutergüssen übersäte Gesicht verzog sich zu einer kruden, angstvollen Maske. Es war fast, als beobachteten wir sie in der Gefangenschaft. Das Entsetzen war greifbar, zum Fürchten. Dr. Ruocco war äußerst sanft, aber das leise Ächzen und Stöhnen ging weiter. Dann sagte Kate McTiernan endlich etwas, ohne die Augen aufzumachen.
»Rühr mich nicht an! Laß das! Wag es nicht, mich anzurühren, du Arschloch!« rief sie. Ihre Augen gingen nicht auf. Sie drückte sie fest zu. »Laß mich in Ruhe, du Scheißkerl!«
»Diese jungen Ärzte.« Dr. Ruocco machte einen Witz daraus. Sie behielt unter Druck einen kühlen Kopf. »Der ganze Haufen ist unglaublich respektlos. Und dazu die gottverdammte Ausdrucksweise.«
Wenn man Kate McTiernan jetzt beobachtete, war es, als schaute man zu, wie jemand gefoltert wurde. Ich dachte wieder an Naomi. War sie in North Carolina? Oder irgendwie nach Kalifornien gebracht worden? Widerfuhr ihr dasselbe? Ich verjagte den beunruhigenden Gedanken aus meinem Kopf. Nicht mehrere Probleme auf einmal.
Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis Dr. Ruocco Kate McTiernan behandelt hatte. Sie verabreichte ihr intravenös eine Dosis Librium. Dann schloß sie den Herzmonitor wieder an, an dem Kate wegen ihrer Verletzung hing. Als Dr. Ruocco fertig war, fiel die Assistenzärztin wieder in einen tieferen Schlaf. Heute nacht würde sie uns keines ihrer Geheimnisse erzählen. »Mir gefällt Ihre Arbeit«, flüsterte ich Dr. Ruocco zu. »Das haben Sie gutgemacht.«
Maria Ruocco winkte mir, mit ihr hinauszugehen. Der Krankenhausflur lag im Halbdunkel; es war sehr ruhig und so unheimlich, wie es Krankenhäuser nachts sein können. Mir ging immer wieder durch den Kopf, Casanova könne ein Arzt am Hospital der Universität sein. Vielleicht war er sogar trotz der späten Stunde jetzt im Krankenhaus.
»Wir haben alles getan, was wir im Augenblick für sie tun können, Alex. Lassen wir das Librium wirken. Ich habe drei FBI-Agenten gezählt, dazu zwei von der Polizeielite von Durham, die Dr. McTiernan heute nacht vor dem Unhold beschützen. Warum gehen Sie denn nicht in Ihr Hotel? Gönnen Sie sich auch etwas Schlaf. Wie wäre es mit Valium für Sie, edler Ritter?«
Ich sagte Maria Ruocco, ich wolle lieber im Krankenhaus schlafen. »Ich glaube nicht, daß Casanova ihr hier etwas tut, aber man kann nie wissen. Möglich wäre es.«
Vor allem, falls Casanova ein Krankenhausarzt war, dachte ich, aber das erwähnte ich Maria gegenüber nicht. »Außerdem spüre ich eine Verbindung zu Kate. Das war vom ersten Augenblick an so. Vielleicht hat sie Naomi gekannt.«
Dr. Maria Ruocco sah zu mir auf. Ich war fast einen halben Meter größer als sie. Sie sprach mit unbewegter Miene. »Sie wirken normal, manchmal klingen Sie normal, aber Sie sind nicht zurechnungsfähig«, sagte sie und lächelte. Ihre leuchtendblauen Augen zwinkerten spielerisch.
»Außerdem bin ich bewaffnet und gefährlich«, sagte ich.
»Gute Nacht, Dr. Cross«, sagte Maria Ruocco und warf mir eine hauchzarte Kußhand zu.
»Gute Nacht, Dr. Ruocco. Und danke.« Ich warf ihr eine Kußhand nach, als sie den Flur entlangging.
Ich schlief unruhig auf zwei unbequemen, zusammengeschobenen Klubsesseln in Kate McTiernans Zimmer. Der Revolver lag die ganze Zeit auf meinem Schoß. Es müssen angenehme Träume gewesen sein, da bin ich mir sicher.
50. Kapitel
»Wer sind Sie? Wer zum Teufel sind Sie, Mister?«
Eine laute, schrille Stimme weckte mich. Sie war ganz in der Nähe. Fast vor meiner Nase. Mir fiel sofort wieder ein, daß ich im Hospital der University of North Carolina war. Ich erinnerte mich genau daran, in welchem Teil des Krankenhauses ich war. Ich war bei Kate McTiernan, unserer kostbaren Zeugin.
»Ich bin Polizist«, sagte ich mit leiser, hoffentlich beruhigender Stimme zu der traumatisierten Assistenzärztin. »Ich heiße Alex Cross. Sie sind im Hospital der University of North
Weitere Kostenlose Bücher