Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
schwächer, aber vielleicht war es das Licht in meinem Kopf.
Oder das Licht in meiner Seele?
Jetzt betrat der Präsident die grauen Metallstufen. Er schüttelte jemandem die Hand. Dann legte er mehreren anderen Leuten die Hand auf die Schulter. Er schien jeden Gedanken an eine Gefahr aus seinem Bewusstsein verbannt zu haben. Sally Byrnes stieg vor ihrem Mann die Treppe hinauf. Ich konnte ihr Gesicht deutlich sehen. Mich quälte der Gedanke, dass Jack und Jill es vielleicht ebenfalls sehen konnten. Geheimdienstagenten sicherten den gesamten Raum um die Bühne.
Ich war da, als es schließlich geschah. So nahe war ich Präsident Byrnes.
Jack und Jill schlugen mit schrecklicher Gewalt zu. Eine Bombe explodierte. Der lauteste Donnerschlag, den man sich vorstellen kann, ertönte neben der Bühne – oder vielleicht sogar auf der Bühne. Die Leibwächter um den Präsidenten hatten die Explosion nicht erwartet. Die Bombe detonierte innerhalb des Schutzbereichs.
Chaos! Kein Schuss – eine Bombe! Obwohl das Auditorium heute Morgen sorgfältig auf Sprengkörper abgesucht worden war!, schoss es mir durch den Kopf, als ich nach vorn stürmte.
Ich bemerkte, dass meine Hand blutete – wahrscheinlich von dem Gerangel mit dem Irren vorhin, vielleicht aber auch von der Bombe.
Jetzt kam es zur schlimmstmöglichen Abfolge von Aktionen – und alles ging blitzschnell. Überall in der Menge tauchten Pistolen und Spezialgewehre zur Bekämpfung von Aufruhr auf.
Niemand schien bis jetzt zu wissen, wo die Bombe eingeschlagen hatte oder wie. Niemand konnte den bisherigen Schaden einschätzen. Oder sollte die Explosion genau diesem Ziel dienen?
Auf der Bühne und in den ersten zwanzig Reihen warfen sich alle zu Boden.
Dicke schwarze Rauchschwaden stiegen zur Decke empor, zu dem Glasdach und den Stahlträgern.
Überall roch es so, als würde Menschenhaar brennen. Überall schrien Menschen. Ich konnte nicht sagen, wie viele verletzt waren. Ich konnte den Präsidenten nicht mehr sehen. Die Bombe war in der Nähe der Bühne explodiert. Ganz nahe der Stelle, wo Präsident Byrnes noch vor wenigen Sekunden gestanden war und Hände geschüttelt und fröhlich geplaudert hatte. Der Knall hallte noch immer in meinen Ohren wider. Von Panik erfüllt, bahnte ich mir den Weg zur Bühne. Es war völlig unmöglich festzustellen, wie viele Menschen durch die Explosion verletzt oder getötet worden waren. Wegen des Rauchs und der in Panik geratenen Menschenmenge konnte ich weder den Präsidenten noch Mrs. Byrnes irgendwo entdecken.
Fernsehkameraleute wateten durch den Schauplatz der Katastrophe näher ans Podium heran.
Endlich sah ich eine Gruppe von Geheimdienstleuten, die sich eng um den Präsidenten scharten. Er stand auf den Beinen.
Thomas Byrnes lebte. Er war in Sicherheit. Jetzt machten die Sicherheitsleute sich eilig daran, Byrnes aus dem Weg zu schaffen. Die Leibwächter bildeten einen lebenden Schutzschild um den Präsidenten, der unverletzt zu sein schien. Ich zielte mit meiner Glock aus Sicherheitsgründen zur Dekke. Dann rief ich: »Polizei!«
Mehrere andere Geheimdienstleute und Polizisten taten es mir gleich. Wir gaben uns zu erkennen, um nicht in dem schrecklichen Tohuwabohu erschossen zu werden oder einen Kollegen zu erschießen. Etliche Menschen in der panischen Menge kreischten hysterisch.
Ich drängte und schob mich zum südwestlichen Ausgang, durch den der Geheimdienst den Präsidenten hereingeführt hatte. Dieser Fluchtweg war zuvor festgelegt worden. Jenseits des roten Leuchtschildes EXIT führte ein langer Betontunnel zu einem Sonderparkplatz für Besucher auf der Uferseite des Gebäudes. Dort warteten gepanzerte, schusssichere Limousinen. Was wartete wohl sonst noch dort?, fragte ich mich. In meinem Kopf schrillten Alarmglocken, als ich weiterlief, so schnell ich konnte. Jack und Jill waren uns immer einen Schritt voraus. Sie haben ihn verfehlt! Warum haben sie ihn verfehlt?
Sie machen keine Fehler!
Ich war keine zehn Meter vom Präsidenten und seinen Leibwächtern entfernt, als mich die Erkenntnis wie ein Schlag traf.
Jetzt endlich begriff ich – aber ich war offenbar der Einzige. »Ändert sofort die Route!«, brüllte ich, so laut ich konnte.
»Nehmt einen anderen Fluchtweg!«
91.
Niemand hörte mich. Ich selbst hörte ja in dem Lärm und dem Tohuwabohu im Madison Square Garden kaum meine eigene Stimme.
Verzweifelt bahnte ich mir einen Weg nach vorn, um der Phalanx zu folgen. Von meinem Standort sah es wie eine
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