Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
Kind ist?«
Sampson nickte. Ich hatte Recht. »Alex, er ist nur ein weiterer eiskalter Killer«, sagte er. »Vergiss das nicht. Er ist ein gemeiner Mörder.«
97.
Ein dreizehnjähriger Mörder. Ich schaute mir die Umgebung des Johnson-Hauses genauer an. Sämtliche Polizeikräfte gingen in Stellung. Selbst relativ kleine örtliche Polizeieinheiten waren für derartige Einsätze inzwischen sehr gut ausgebildet. Der Terror war in Kleinstädte wie Ruby Ridge, Waco und jetzt Mitchellville eingedrungen.
Bei einem dunkelblauen Lieferwagen, einem neueren Modell, stand die Hecktür offen. Ich sah Fernsehmonitore in dem Fahrzeug, modernste Audiogeräte, Telefone und eine mobile Misch-und-Schneide-Anlage. Unweit einer windschiefen Weide hockte ein Techniker und hörte das Geschehen im Innern des Hauses mit einem Richtmikrofon ab, das Stimmen auf hundert Meter Entfernung einfangen konnte.
An einem Einsatzwagen lehnte ein weißes Brett, auf dem Fotos von Observierungen und mehrere Bilder des Jungen steckten. Ein Hubschrauber richtete grelle Lichtstrahlen auf die Dächer und Bäume. Das Geiseldrama entwickelte sich so, wie wir es kennen und lieben.
Diesmal in der Vorstadt.
Ein dreizehnjähriger Junge namens Daniel Boudreaux. Nur ein weiterer eiskalter Killer.
»Wer redet mit ihm?«, fragte ich Sampson, als wir näher an das Haus herangingen. Ich sah einen schwarzen Lexus in der Einfahrt parken. George Johnsons Wagen? »Wer ist hier der Mittelsmann?«
»Die Jungs haben sofort Paul Losi geholt, als sich die Geiselnahme abzeichnete und dass es eine verdammt schlimme Kiste wird.«
Ich nickte. Die Wahl des Mittelsmanns erleichterte mich ein bisschen. »Sehr gut. Losi ist ein harter Bursche, der auch unter Druck gut arbeitet. Wie hält der Junge vom Haus aus Verbindung?«
»Anfangs übers Telefon. Dann hat er ein Megafon verlangt. Hat dabei einen regelrechten Wutanfall erlitten. Er hat gedroht, die Lehrerin sofort zu erschießen – und dann sich selbst. Also hat der böse Junge seine Tröte bekommen. Die benutzt er jetzt. Zwischen ihm und Paul Losi gab es nicht gerade ›Liebe auf den ersten Blick‹.«
»Was ist mit Christine Johnson? Ist alles in Ordnung mit ihr?
Weiß man schon was?«
»Mit ihr scheint soweit alles in Ordnung zu sein. Sie ist an gesichts der kritischen Situation unglaublich gefasst. Wir vermuten, dass sie den Jungen irgendwie unter Kontrolle hält, aber es steht auf der Kippe. Sie ist zäh.«
Das wusste ich bereits. Sie ist noch zäher als du, Daddy. Ich hoffte, Damon hätte hundert Prozent Recht. Ich hoffte, Christine wäre zäher als wir alle.
George Pittman trat zu uns, während ich mich mit Sampson unterhielt. Der Chief of Detectives war der Letzte, den ich jetzt sehen wollte, absolut der Letzte. Wahrscheinlich hatte Pittman mich als »Freiwilligen« ins Weiße Haus befördert. Ich schluckte meinen Ärger herunter – und auch meinen Stolz.
»Das FBI hat Scharfschützen postiert«, teilte Pittman uns mit. »Das Problem ist nur, dass die hohen Tiere uns den Einsatz nicht gestatten. Der kleine Drecksack hat ein paarmal ein prima Ziel abgegeben.«
Ich blieb gelassen und ruhig. Pittman hielt mir immer noch eine Waffe an die Schläfe. Das wusste er so gut wie ich. »Ein weiteres Problem – der Mörder ist erst dreizehn. Wahrscheinlich will er Selbstmord begehen«, sagte ich. Es war eine rein theoretische Vermutung, aber ich war sicher, dass sie zutraf.
Boudreaux hatte sich im Haus der Johnsons in eine Ecke manövriert, aus der er nicht mehr herauskam. Und jetzt schrie er:
Kommt und holt mich!
Pittmans Miene verfinsterte sich. Sein Gesicht war bis zum Stiernacken rot angelaufen. »Er hält die fünf Morde, die er begangen hat, für komisch . Das hat der kleine Lumpsack dem Mittelsmann wörtlich gesagt. Er lacht über die Morde. Übrigens hat er ganz besonders nach Ihnen gefragt, Cross. Wie denken Sie nun über die Scharfschützen?«, spie Pittman mir ins Gesicht, ehe er davonstapfte.
Sampson schüttelte den Kopf. »Denk bloß nicht daran, reinzugehen und mit dem bösen Buben zu spielen«, sagte er. »Ich muss ihn besser verstehen. Um das zu können, muss ich mit ihm reden«, erklärte ich und blickte zum Haus der Johnsons. Im Erdgeschoss war alles hell erleuchtet, im ersten Stock brannte kein Licht.
»Du verstehst ihn jetzt schon zu gottverdammt gut, auch wenn du es abstreitest. Du weißt so viel über die Irren, dass du selbst bald einer wirst. Hörst du? Hast du das verstanden?« Ich verstand.
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