Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
lange? Wie hatten sie letztendlich ihre Opfer ausgesucht? Herrgott, lass es keine zufällige Auswahl sein, keine Morde nach dem Zufallsprinzip! Alles, nur das nicht.
Aber es faszinierte mich, dass es sich um ein Paar handelte, das eng zusammenarbeitete.
Ich hatte gerade an einem ebenso schrecklichen wie interessanten Fall gearbeitet: Zwei Freunde hatten mehr als dreizehn Jahre lang Frauen entführt und ermordet. Sie hatten zusammengearbeitet, waren zugleich aber auch Rivalen gewesen. Das psychologische Prinzip, das hier griff, heißt Zwillingsverhalten.
Und was war nun mit Jack und Jill? Waren sie perverse Freunde? Bestand eine romantische Beziehung zwischen den beiden? Oder gab es eine andere Bindung? Eine sexuelle Komponente? Das erschien mir durchaus möglich. Oder ging es um Macht? Ein perverses Sexspiel? Vielleicht die ultimative sexuelle Fantasie? Waren sie ein Ehepaar? Oder ein Pärchen auf Killertour wie Bonnie und Clyde?
War es der Anfang einer grauenvollen Serie von Verbrechen? Serienmorde in Washington?
Würde es sich ausbreiten? In andere Großstädte, in denen es von Prominenten wimmelte? New York? Los Angeles? Paris? London?
Im sechsten Stock des Jefferson Hotels trat ich aus dem Fahrstuhl und blickte in die verdutzten und verwirrten Gesichter auf dem Korridor. Den Gesichtern am Tatort nach zu urteilen, war ich verdammt schnell gewesen.
Jack und Jill kamen zum Capitol Hill, um zu morden, zu morden, zu morden.
21.
Der gute Doktor Cross, der Meister der Katastrophen. Ich fasse es nicht. Alex, he, Alex – hier drüben !«
Ich war verloren in einem Ansturm aus Gedanken und Eindrücken über die Morde, als ich meinen Namen hörte. Ich erkannte die Stimme auf Anhieb und musste lächeln.
Ich drehte mich um und sah Kyle Craig vom FBI. Noch ein Drachentöter. Er stammte aus Lexington, Massachusetts. Kyle war kein typischer FBI-Agent. Er spielte immer mit offenen Karten. Er war auch nicht arrogant und für gewöhnlich kein Bürokrat. Kyle und ich hatten in der Vergangenheit bei mehreren scheußlichen Fällen zusammengearbeitet. Er war Spezialist für Verbrechen, die sich durch außergewöhnliche Gewalt oder Mehrfachmorde auszeichneten – ein Experte für die gespenstischen, Furcht einflößenden Fälle, mit denen sich die meisten FBI-Leute nicht gern befassten. Außerdem war er ein Freund.
»Bei dem Fall haben sie alle hohen Tiere hinzugezogen«, sagte Kyle, als wir uns in der Halle die Hände schüttelten. Er war groß und immer noch hager, mit markanten Zügen und auffallend schwarzem Haar, kohlschwarz. Seine Hakennase sah so scharf aus, als könnte man Brot damit schneiden.
»Wer ist bis jetzt sonst noch da, Kyle?«, fragte ich. Er hatte inzwischen alles in Erfahrung gebracht. Er war klug und ein scharfer Beobachter. Und er hatte einen guten Riecher. Außerdem wusste Kyle, wer die Beteiligten an den Ermittlungen waren und wie jeder ins Bild passte.
Er runzelte die Stirn und machte ein Gesicht, als hätte er an einer besonders sauren Zitrone gelutscht. »Frag lieber, wer nicht hier ist, Alex. Detectives aus D.C., deine eigenen – Compadres . Das FBI natürlich. Und die Drogenbekämpfung, ob du’s glaubst oder nicht. Und die Jungs in den blauen Anzügen sind von der CIA. Übrigens besichtigt dein Busenfreund Chief Pittman gerade Miss Sheehans bildschöne Leiche. Sie sind im Boudoir sozusagen.«
»Also, das macht mir Angst«, sagte ich und lächelte verkrampft. »Verrückter kann das alles gar nicht sein.«
Kyle deutete auf eine geschlossene Tür. Ich vermutete, sie führte ins Schlafzimmer. »Ich glaube, sie wollen nicht gestört werden. Gerüchten in Quantico zufolge soll der Chief of Detectives Pittman der Nekrophilie huldigen«, sagte er mit einem Pokergesicht. »Könnte das stimmen?«
»Verbrechen ohne Opfer«, sagte ich.
»Wie wär’s mit ein bisschen Respekt gegenüber den Toten«, meinte Kyle und richtete seinen Zinken auf mich. »Ich bin sicher, dass Miss Sheehan selbst im Tod eine Möglichkeit finden würde, den Chief zurechtzustutzen.«
Ich war nicht überrascht, dass der Häuptling persönlich ins Jefferson gekommen war. Dieser Fall entwickelte sich zur spektakulärsten Mordsache, die es seit Jahren in Washington gegeben hatte. Auf alle Fälle würde es zur größten Mordsache werden , wenn Jack und Jill bald wieder zuschlugen – wie sie es versprochen hatten.
Nur zögernd trennte ich mich von Kyle, ging zur geschlossenen Schlafzimmertür und öffnete sie langsam, als wäre sie
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