Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
Sie liebte seine Berührungen – manchmal kräftig, manchmal so erstaunlich zärtlich. Ja , sie liebte jeden Zentimeter an ihm.
Nie zuvor hatte sie so etwas empfunden – und nie damit gerechnet, dass sie es je fühlen würde . Sie hätte alles darauf gewettet, niemals solche Empfindungen zu haben. Und in gewisser Weise hatte sie alles darauf gewettet, nicht wahr? Für die Sache, aber auch für Sam – und für das hier.
Sam war insgeheim Romantiker. Das hätte man beim Soldaten niemals erwartet – und bei keinem Mann, den Sara bislang gekannt hatte. Diese Suite zu mieten war Sams Idee gewesen, weil sie, Sara, einmal erwähnt hatte – nur ein einziges Mal –, dass das Four Seasons in Washington ihr Lieblingshotel sei.
»Hör mal«, flüsterte sie ihm beim Liebesakt zu. »Möchtest du wissen, was mein Lieblingshotel auf der ganzen weiten Welt ist?«
Er begriff den Scherz. Stets begriff er Saras Humor und die verquere Ironie. Seine großen blauen Augen funkelten. Er grinste. Er hatte strahlend weiße Zähne und ein so scheues, entwaffnendes Lächeln. Sie fand, dass er viel besser aussah als Michael Robinson. Sam war ein Held im wahren Leben. Der Soldat. In einem echten Krieg ums Überleben, dem wichtigsten Krieg unserer Zeit. Davon waren beide überzeugt.
»Bitte, sag es mir nicht «, meinte er lachend. » Wag es ja nicht , mir dein Lieblingshotel in weiß der Teufel wo zu nennen. Du weißt, dass ich dich dann dorthin bringen muss. Sag es mir nicht, Sara.«
»Das Cipriani in Venedig«, platzte Sara heraus und lachte.
Sie war nie im Cipriani gewesen, hatte aber viel darüber gelesen. Sie hatte über Gott und die Welt gelesen, aber sehr wenig erlebt – bis in letzter Zeit. Sara, der hoffnungslose Bücherwurm. Sara, die Leseratte. Sara, die Null. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt lebte sie wie fast niemand sonst. Sara, die lahme Ente, lebt!
»Okay. Wenn das alles vorbei ist – und es wird zu Ende gehen –, fliegen wir nach Venedig und machen Urlaub. Das verspreche ich dir. Das Cipriani, alles klar.«
»Und am Sonntag Brunch im Danieli«, flüsterte sie an seiner Wange. »Versprochen?«
»Natürlich. Wohin sollte man sonst zum Brunch, wenn nicht ins Danieli? Das ist ein Muss. Aber erst, sobald alles erledigt ist.«
»Es wird noch schlimmer, nicht wahr?«, sagte sie und umschlang seinen kräftigen Körper fester.
»Ja, ich fürchte schon. Aber nicht heute Nacht, Jill. Nicht heute Nacht, Liebes. Lass uns nicht alles kaputtmachen. Lass uns nicht an morgen denken. Mach aus diesem wunderschönen Wochenende keinen hässlichen Montag.«
Selbstverständlich hatte Sam Recht. Er war nicht nur ein starker, er war auch ein kluger Mann. Wieder setzte er sich auf ihr in Bewegung, glitt wie ein warmer Wind über sie hinweg. Er war so ein zärtlicher, wundervoller Liebhaber. Er war Lehrer und Schüler zugleich; er konnte im Bett geben und nehmen. Am wichtigsten aber war, dass Sam es verstand, sie aus der Reserve zu locken. O Gott, wie sehr sie das gebraucht hatte – immer schon, wie es schien. Aus sich herausgehen. Nicht mehr die lahme Ente sein. Nie wieder. Das gelobte sie sich.
Sara schürzte die Lippen. Vor Wollust? Aus Schmerz? Sie wusste es selbst nicht. Sie schloss die Augen, schlug sie aber gleich wieder auf. Sie wollte sehen.
Er verharrte über ihr, als machte er eine Pause zwischen zwei Liegestützen. »Du warst also noch nie im Cipriani, Affengesichtchen?«, fragte er. Seine Wangen waren kein bisschen gerötet. Mühelos hielt er sich über ihr. Sein Körper war so wunderschön, so kräftig, geschmeidig und hart wie Stein. Auch Sara war in hervorragender körperlicher Verfassung, aber Sam war phänomenal.
Er nannte sie »Affengesichtchen« wie in Hitchcocks »Unter Verdacht«. Eigentlich kein sonderlich bemerkenswerter Film, aber für Sara hatte er genau den Punkt getroffen, ihren Punkt. Seit sie den Film gesehen hatte, war Sara die Lena, die Joan Fontaine gespielt hatte. Und Sam war Johnny, die Rolle Cary Grants. Johnny hatte Lena »Affengesichtchen« genannt.
Am Schluss des Films waren Lena und Johnny an der englischen Küste in den Sonnenuntergang hineingefahren – wahrscheinlich um dann weiterzuleben bis an ihr glückliches Ende. Hitchcocks Film war ein intelligentes, witziges, geheimnisvolles Spiel – genau wie das ihre.
Ihr Spiel. Das wundervollste Spiel, das zwei Menschen je gespielt hatten.
Werden wir auch in den Sonnenuntergang hineinfahren, wenn alles getan ist?, fragte sich Sara. Ich glaube
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