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Patterson James

Patterson James

Titel: Patterson James Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gruene Weihnacht
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Gang zum 18. Grün hinauf hatte dennoch nichts Triumphales.
Nicht ein einziger Zuschauer folgte unserer Gruppe oder
wartete auf dem Grün, und nachdem ich sechs Stunden lang
um mein Leben gekämpft hatte, überfiel mich jetzt ein so gemeines Kopfweh, wie ich es bis dahin nicht gekannt hatte. Ich
kam mir vor, als hätte ich einen Hut auf, der mir vier Nummern zu klein war.
Fünfeinhalb Meter lagen jetzt noch zwischen mir und der
Senior Tour. Fünfeinhalb Meter zwischen meiner trostlosen
alten Existenz und meiner glorreichen Zukunft. Lausige fünfeinhalb Meter. Ich hatte mir zwar geschworen, nicht so tief zu
sinken, doch in diesem Augenblick mutete der Spruch schon
fast eloquent an: So nah und doch so fern.
Andererseits: Wenn ich mir meinen Putt so ansah, dann
wirkte der Abstand zur Fahne eher klein als groß. Wenn ich
bedachte, wo ich noch vor einem Monat gestanden hatte, dann
konnte man über fünfeinhalb Meter durchaus reden. Zum
Teufel, das war ja fast geschenkt.
Die Puttlinie verlief ebenerdig gegen den Wuchs des Rasens,
die Art Putt, die man kräftig schlagen muss, um sie auf Kurs zu
halten, doch auch diesmal sah ich die Linie ganz deutlich. Sieh
einfach nur zu, dass er ordentlich Schwung hat, sagte ich mir,
bloß ordentlich Schwung.
Und das hatte er…
Und das hatte er…
Und das hatte er nicht.
Ich konnte es kaum fassen. Ich hatte den wichtigsten Putt
meines Lebens geschlagen und ihn fünf Zentimeter zu kurz
gelassen. Ich werde nie, nie mehr, selbst wenn ich tausend
Jahre alt werden sollte, zu irgendeinem Golfpartner, der eben
seinen Putt knapp verfehlt hat, sagen: »Schöner Putt, Alice.«
Gott sei Dank waren Joe, Chuck und Ron nicht da.
Ich hatte den Eindruck, zum achtzehnten Mal an diesem Tag
tot an der Fahne zu liegen und schubste den Ball ins Loch. Ein
verdammtes Birdie! Dann ging ich langsam ins Zelt der Spielleitung. Immer wieder addierte ich mein Ergebnis aufs Neue,
in der Hoffnung, die Arithmetik würde irgendwann doch noch
68 ausspucken. Aber ich landete stets bei 69.
Schließlich unterschrieb ich die Scorekarte und wankte zu der
Hauswand gleich hinter dem Grün zurück, um zuzusehen, wie
die Erstplatzierten ins Ziel kamen. »So nah und doch so fern«
traf es eigentlich ziemlich genau.
Obwohl ich recht gut gespielt hatte, verspürte ich keinerlei
Befriedigung oder Erleichterung.
Ich wollte Sarah oder Elizabeth oder Simon und Noah anrufen, doch selbst dazu war ich zu müde. Ich war so ausgelaugt,
dass ich beinahe im Stehen, an die Wand gelehnt, eingeschlafen
wäre.
Ich hörte, wie der letzte Dreier eine viertel Meile weit weg
vom Tee abschlug.
Zehn Minuten später war noch keiner von ihnen in der Senke
unterhalb des Grüns aufgetaucht. Seltsam.
Weitere fünf Minuten später ging ein Raunen durchs Clubhaus.
Ich ging ins Zelt zurück und hörte einen Platzwart in sein
Sprechfunkgerät sagen: »Was zum Teufel ist denn da unten los,
Orville? Wir warten jetzt schon zwanzig Minuten.«
Ein paar Sekunden später knisterte es in dem Gerät, und
dann kam die vielleicht erfreulichste Nachrichtenmeldung
meines Lebens: »Wir haben hier drei Golfer Out of Bounds.«
Für all jene, die in diesem Spiel nicht so bewandert sind: »Out
of Bounds« bedeutet, dass ein Spieler den Ball ins Aus geschlagen hat. Oder anders ausgedrückt, dass er tief in der
Scheiße sitzt.
Am letzten Loch des längsten Turniertags war es zum
Golf-Äquivalent einer Karambolage von drei Rennwagen auf
der Zielgeraden gekommen. Alle drei Spieler hatten ihren Abschlag so krass verzogen, dass sie jenseits der Ausgrenze auf
der Route 48 gelandet waren. Als das Schlachtfeld endlich geräumt und der Papierkram erledigt war, reichte 12 unter Par
immer noch für Platz acht.
Ich war ein vollwertiges Mitglied der PGA Senior Tour.
KAPITEL 17
I
ch duschte, zog mich um und wanderte verträumt wieder
    nach draußen. Inzwischen war es fast sechs, und die Sonne
versank rasch hinter der riesigen, hölzernen Anzeigetafel, die
neben dem 18. Grün aufgestellt war.
    Es war dieser besondere Moment, wenn es Abend wird in
Florida, in dem die Erde den Atem anzuhalten und leise zu
seufzen scheint, und ich war innerlich so ruhig und zufrieden
wie die kühle, stille Luft um mich her.
    Ich fühlte mich tatsächlich anders. Das Wesen, das ich in diesem Augenblick war, unterschied sich ganz grundlegend von
der Person, die an diesem Morgen aufgestanden und zum
Golfkurs gefahren war, unterschied sich auch ganz klar von
der Person, die noch vor knapp einer Stunde an elfter

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