Patterson James
es geschafft hatten, besaßen Anstand genug, woanders zu feiern, und die anderen hatten so schnell wie möglich ihre Sachen gepackt und das Weite gesucht.
Aber Earl, mit seiner langen Havanna in der Hand und dem
Aktienmarkt des ›Barron’s‹ vor sich aufgeschlagen auf dem
Tisch, sah überhaupt nicht wie jemand aus, der gerade die
Qualifikation um sechs Schläge verpasst hatte.
»Wie machen Sie das bloß, dass Sie immer so gelassen wirken?«, fragte ich. »Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie hier
trübsinnig in Ihr Bier starren.«
»Ich habe schon zu viel Scheiße erlebt, um mich von so was
umhauen zu lassen«, erklärt Fiedler in beiläufigem Tonfall,
»und außerdem ist Microsoft diese Woche um elf Prozent gestiegen. Aber was ist denn mit Ihnen? Sie sehen ja aus wie ein
Schwamm.«
»Ich habe zu Hause angerufen«, sagte ich, »und prompt war
ich auch schon am Flennen. Es war, als ob mein Vater aus dem
Grab gestiegen wäre, um mir zu sagen, wie gern er mich hat.«
»Wie kommt’s, dass Sie nie versucht haben, die reguläre Profi-Tour mitzumachen?«, fragte Earl. »So wie Sie spielen, hätten
Sie doch das Zeug dazu.«
»In der Highschool habe ich an nichts anderes gedacht«, sagte
ich. »Dann ging ich aufs College und hab mich verliebt, und als
ich dann das Examen machte, hatte ich eine Frau, die Medizin
studierte, und eine zweijährige Tochter. Golf zu spielen schien
plötzlich völlig unverantwortlich. Dazu kommt noch, dass ich
das Putten eigentlich erst vor drei Wochen gelernt habe. Die
Ironie an dem Ganzen ist allerdings, dass sich der Job, den ich
stattdessen gewählt hatte, nun auch nicht gerade als so sicher
erwiesen hat und dass meine Frau wahrscheinlich demnächst
die Scheidung einreichen wird.«
»Jetzt mal langsam«, hakte Earl nach und zog genüsslich an
seiner Zigarre. »Sie sind vor kurzem gefeuert worden. Ihre
bessere Hälfte gibt Ihnen den Laufpass, und Sie schleppen
diesen ganzen ungelösten Quark mit Ihrem alten Herrn mit
sich herum. Wahrscheinlich erzählen Sie mir jetzt auch noch,
dass Ihr Hund Flöhe hat.«
»Zecken«, sagte ich.
»Travis, ich bekomme gleich Mitleid mit Ihnen, und dabei
sind Sie derjenige, der es auf die Tour geschafft hat«, stieß Earl
lachend hervor. »Also, Sie mögen ja vielleicht ziemlich im Eimer sein, aber zumindest haben Sie Talent, und das gibt es viel
seltener, als man meint.«
»Das werden wir ja bald herausfinden.«
»Wissen Sie was«, sagte Earl, »wo das mit Microsoft gerade
so gut läuft, mache ich Ihnen ein echtes Freundschaftsangebot.
Ich mache ein halbes Jahr lang den Caddie für Sie, und Sie bezahlen mir nur Unkosten und einen Prozentanteil an Ihren
Gewinnen. So kann ich mir mal ansehen, wie es in der Profiliga
zugeht, und als Gegenleistung hämmere ich Ihnen ein bisschen
Verstand in die Birne.«
»Sie wären also nicht so ein Caddie, der einem nur die Entfernung ansagt und den Schläger reicht?«
»Nie und nimmer. Mit mir bekommen Sie die komplette
Ausstattung«, erklärte Earl. »Caddie, Anlageberater und
Sportpsychologe, alles in einem. Ganz oder gar nicht.«
Ich bot ihm über den Tisch hinweg die Hand an, und er
schlug ein.
»Auf Du und Du«, sagte ich und stieß mit meinem neuen
Partner an.
KAPITEL 20
»
U
nd jetzt am ersten Abschlag, aus Winnetka, Illinois, Travis
McKinley.«
So die Startansage beim FHP Health Care Classic in Ojai, Kalifornien. Um Punkt 7 Uhr 18 an einem kühlen Februarmorgen
in Südkalifornien mit Gott, Dale Douglas und Kermit Zarley
als Zeugen begann ich meine Karriere als Senior-Tour-Spieler –
indem ich meinen Abschlag tief ins Rough schlug und wie ein
aufgescheuchtes Huhn das Fairway hinunter hüpfte.
»Versuch um Gottes willen, wenigstens ein bisschen Würde
zu bewahren«, merkte Earl an. »Ein Hook ins Gestrüpp ist
wahrlich kein Anlass für Freudentänze. Das ist mir ja richtig
peinlich mit dir.«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, wie süß du bist, wenn du
herummeckerst?«, fragte ich.
»Das hör ich ständig«, sagte Earl.
Ich versuchte, cool zu wirken, mich auf eine Art und Weise
zu verhalten, die meinem neu erworbenen Status als vollgültigem Mitglied der PGA Tour annähernd gerecht würde, doch
mehr als Schauspielerei war es tatsächlich nicht. Wenn die
Q-School das Inferno und das Fegefeuer in einem sind, dann ist
die Senior Tour das Paradies. Doch nach einem Entwurf von
Robert Trent Jones, anstelle dem Dantes. Und man muss noch
nicht einmal sterben, um da hinzukommen. Nur alt werden.
Seit Earl und ich am
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