Patty Janes Frisörsalon
Harriet.
»Uff-da mayda«, stieà Ione hervor, die ganz rot geworden war. Sie griff unter ihren Stuhl und zog noch ein Geschenk heraus. »Das ist nur für dich, Avel.«
Avel öffnete einen Karton Briefpapier und sah, daà alle Umschläge bereits an Ione voradressiert waren.
»Wenn du es müde wirst, Harriet Liebesbriefe zu schreiben«, sagte sie, »dann schick mir ein paar Zeilen. Ich möchte ganz genau wissen, wie es in Südamerika ist.«
Harriet packte ein letztes Geschenk aus, ein hauchzartes Nachthemd, das Mieder aus Spitze in einem Blattmuster. Dazu gehörte ein passender Morgenrock, und die Karte verriet, daà das Geschenk von Patty Jane war.
»Patty Jane, ich kann es kaum erwarten, es anzuziehen«, rief Harriet und drückte ihr einen geräuschvollen Kuà auf die Stirn. »Tausend Dank.«
Patty Jane zuckte die Achseln. »Bedank dich bei Ione.« Sie wandte sich wieder dem Fenster zu und starrte hinaus, wie sie es fast den ganzen Abend getan hatte. »Sie hat es gekauft.« Regenbäche rannen an den Scheiben hinunter.
»Machen wir doch ein biÃchen Musik«, meinte Ione und drehte das Radio an, das sie aus der Küche hereingebracht hatte.
Doris Day sang Secret Love , und Avel nahm Harriet in die Arme. Sie tanzten auf dem kleinen Rechteck freien Bodens, das rundum von Möbelstücken begrenzt war.
Ione fiel auf, wie geschmeidig sich Avel bewegte. Patty Jane starrte weiterhin zum Fenster hinaus, völlig reglos, nur mit einem Fuà unbewuÃt den Takt klopfend.
Als das Lied zu Ende war, stand Patty Jane auf.
»Gute Nacht«, sagte sie und zog den Gürtel von Thors Bademantel zu. Sie beugte sich zu Nora hinunter, um sie mitzunehmen, überlegte es sich jedoch anders und trat zu Avel. Mit beiden Händen zog sie ihn aus seinem Sessel und umarmte ihn fest.
»Gute Reise«, sagte sie und küÃte ihn auf den kahlen Scheitel. Dann legte sie ihre Hand um sein Ohr und flüsterte: »Schlaf heute nacht mit ihr, Avel. Wirklich, ich meinâs ernst.«
Avel lächelte errötend und gab flüsternd zurück: »Danke, Patty Jane, vielleicht tu ichâs wirklich.«
Er hatte weiche Knie, als er und Harriet sich verabschiedeten. Er dachte an den vergangenen Winter, als er Harriet gebeten hatte, seine Frau zu werden, und sie ihn gefragt hatte, ob sie jetzt anfangen könnten, miteinander zu schlafen. Da kannten sie sich schon drei Monate, ihre Küsse waren voller Leidenschaft, ihre Umarmungen hitzig, aber jedesmal, wenn der letzte Schritt fast unausweichlich schien, stieà Avel sie weg, als hätte sie ihn bis über den Kopf unter Wasser ziehen wollen.
»Es tut mir leid, Liebes«, hatte er gesagt, während Harriet auf dem Vordersitz des Cadillac, dessen Fenster von der Kälte dick beschlagen waren, wütend ihr Kleid zuknöpfte.
»Ach, Mensch!« hatte Harriet zähneknirschend zurückgegeben. » Dir tutâs leid.«
Die Hände auf dem Lenkrad, senkte Avel den Kopf. »Ich achte dich zu sehr, Liebes.«
»Avel, ich will von dir nicht zum Tugendschaf des Jahres gewählt werden, ich möchte nur mit dir schlafen.«
Die Knöchel von Avels kleinen Händen waren weià geworden, so fest umklammerte er das Lenkrad. Als er sprach, war seine Stimme unsicher und brüchig. »Harriet, ich liebe dich. Ich möchte dich heiraten ... und ich habe Angst, wenn wir miteinander schlafen ...« Er drückte seine Stirn auf das Lenkrad â »na ja, daà du mich dann nicht mehr heiraten willst.«
»Was?« rief Harriet.
Avel krümmte die Schultern. »Harriet, ich bin kein Casanova. Es gab sogar mal eine Zeit in meinem Leben, da dachte ich, ich wäre schwul, weil alle so ein Getue um meine angebliche Ãberempfindlichkeit gemacht haben. Erst als ich dann von zu Hause wegging, um zu studieren, und Frauen kennenlernte, die nicht von meiner Familie handverlesen waren, habe ich gemerkt, daà die meisten Frauen nicht wie meine Schwestern sind.« Avel hielt den Blick auf das Lenkrad gerichtet, weil er Angst hatte, Harriet anzusehen. »Trotzdem war ich auch â ach, ich weià nicht wie oft â mit Frauen zusammen, im biblischen Sinn, meine ich. Viele waren es auf jeden Fall nicht. Ich kann mich nur deshalb nicht erinnern, weil es nie â denkwürdig war.«
»Und warum nicht?« fragte Harriet.
Avel wandte sich ihr zu, die Wange auf
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