Patty Janes Frisörsalon
Stella Amundsens heitere Triller hörte, die sie willkommen hieÃen.
Avel hatte sie gebeten, sie möge bei ihrer Hochzeit selbst für die Musik sorgen: Trumpet Voluntary zu Beginn (»Soll ich die Trompete spielen, während ich zum Altar gehe?« fragte sie); Claire de Lune auf der Harfe vor dem Gelübde; und nachdem der Geistliche sie zu Mann und Frau erklärt hatte, sollte sie das Ave Maria singen. »Avel«, hatte sie gesagt, »ich will nicht an meinem eigenen Hochzeitstag als Ein-Frau-Kapelle fungieren; ich möchte nur die Braut sein.«
Sie arbeitete jedoch mit Evelyn Bright an einem Lied. Es sollte eine Ãberraschung für Avel werden, sein Hochzeitsgeschenk.
Eines Morgens zeigte ihr Evelyn Bright die Noten für das Lied, das sie komponiert hatte. Harriet hatte Evelyn nicht nur um Hilfe gebeten, weil sie ihre Lieblingslehrerin war, sondern auch weil sie eine erfolgreiche Liedermacherin war, die unter anderem die Erkennungsmelodie für die Minnie Delany Radio Hour und den Werbesong für White-Bluffs-Bier geschrieben hatte.
Evelyn hatte sich mit Vergnügen von Harriet zu dieser kleinen Verschwörung anwerben lassen und ihr gestanden, daà sie und ihr Mann Cornelius selbst nach einundzwanzig Jahren Ehe noch »richtige Turteltauben« seien. »Ãberraschungen«, hatte sie gesagt, seien der Hauptgrund dafür, daà es in ihrer Ehe keinen Leerlauf gäbe.
»Mal steck ich ihm ein Briefchen in die Tasche, bevor er zur Arbeit geht, mal flüstere ich ihm ein Liebesgedicht ins Ohr, bevor er einschläft, mal spritz ich einen Tropfen Parfum innen an seinen Hemdkragen â nur die Ãberraschungen, Harriet, die liebenswerten Kleinigkeiten, halten eine Liebe am Leben.« Evelyn Bright nickte weise, wobei ihr fleischiges Kinn mehrmals tief in ihren gerüschten Kragen tauchte. Sie spritzte aus einer Sprühflasche Wasser in ihren Mund und summte die Melodie, die sie für Harriet komponiert hatte.
»Schön«, sagte Harriet. »Aber ich glaube, das A hätte ich lieber um einen halben Ton tiefer.« Sie wies auf einen Takt in den Noten, die Evelyn auf dem Notenständer ausgebreitet hatte.
Evelyn summte die veränderte Melodie. »Auf den Punkt genau, Harriet«, sagte sie und trug die Ãnderung ein. »Haben Sie sich schon einen Text einfallen lassen, Kind?«
»Nur eine Zeile«, antwortete Harriet und warf ihr langes Haar über die Schulter zurück. »O Avel, Herr des Landes, das mein Herz ist, nie wird die Hypothek gelöscht.«
Evelyn kicherte. »Das ist ja süÃ. So modern.« Sie sang den Text zu den ersten Takten ihrer Musik. »Es paÃt genau. Harriet, ich wette, wir könnten dieses Lied verkaufen. Ich kann richtig hören, wie Perry Como es singt.«
Harriet lächelte. »Ein Liebeslied an âºAvel, Herr des Landes, das mein Herz istâ¹?«
»Ach ja, das wäre wirklich ein biÃchen komisch«, meinte Evelyn Bright. »Okay, dann Peggy Lee.«
Mit Regen zog der Juni ein. Patty Jane stopfte Nora unter ihren gelben Ãlmantel und unternahm ihre Fünf-Meilen-Märsche in Gummistiefeln. Ãberlegungen praktischer Natur drängten allmählich in ihr BewuÃtsein. Sie wuÃte, daà sie anfangen muÃte, sich ihr Leben neu aufzubauen, daà sie ihre Tage in Zukunft nicht einzig mit langen Spaziergängen und der Sorge um ihr Kind zubringen konnte. Sie muÃte den eisernen Vorhang hochziehen, das »Betreten verboten«-Schild wegwerfen und anfangen, wieder Menschen einzulassen.
Die Wochen der Ruhe, die Patty Jane sich verschrieben hatte, brachten noch einen überraschenden Gewinn. Sie hatten ihr die Gelegenheit gegeben, auf ihre Schwester und ihre Schwiegermutter zu achten, sie gemeinsam und allein zu beobachten. Es rührte sie zu sehen, wie gut Harriet und Ione miteinander auskamen. Die Zurückhaltung, mit der sie einander begegnet waren, hatte sich aufgelöst wie ein Rauchsignal im Wind. Oft saÃen sie zusammen am Küchentisch, spielten Karten und aÃen Popcorn, lasen sich gegenseitig die Briefe vor, die sie von Avel bekommen hatten. Patty Jane tat so, als wäre sie in dem groÃen Plüschsessel eingenickt, während sie Harriet und Ione belauschte, wenn diese im Wohnzimmer saÃen und sich in freundschaftlicher Geselligkeit mit den unterschiedlichsten Dingen beschäftigten, die ihnen am Herzen lagen: Ione mit der norwegischen Kunst des
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